Wissenschaftliche Forschungsmethoden

Varianten

Online oder Offline?

Eine Befragung kann sowohl als Online-Fragebogen als auch als sogenannte "paper-pencil survey", also als analoger, traditioneller Fragebogen mit Papier und Stift realisiert werden. Beide Modi haben ihre Berechtigung und bieten unterschiedliche Vor- und Nachteile.
 

(vgl. Perkhofer et al. 2016b, S. 161 f.; Bortz und Döring 2006, S. 252ff)

Vorteile

Nachteile

Online-Fragebogen

  • zeitliche und räumliche Unabhängigkeit 
  • hohe Interaktivität mit den Beantwortenden (z.B. in Form adaptiver Fragenpräsentation in Abhängigkeit vom Beantwortungsmuster)
  • Anreicherung mit multimedialen Inhalten
  • mediale Präsentation kann schnell zu Überforderung der Befragten führen
  • tendenziell werden überwiegend "Viel-Netz-User*innen" erreicht
  • grundsätzlich werden ältere Menschen als Vergleichsgruppe zu wenig abgedeckt

"paper-pencil survey"

  • hohe Anwendbarkeit und Zugänglichkeit (auch ohne Zugang zu Technik und Internet)
  • auf Überforderung und/oder Fragen kann durch Anwesenheit bzw. Zuständigkeit mindestens einer verantwortlichen Person umgehend eingegangen werden
  • unmittelbares Feedback in spezifischen Situationen (beispielsweise auf Events) möglich und dienlich
  • hohe Lesbarkeit (somit auch für ältere Menschen und Sehgeschwächte geeignet) 
  • ggf. kostengünstiger (geringerer Personalaufwand wie etwa bei postalischen Befragungen im Vergleich zu mündlichen Erhebungen) 
  • unkontrollierte Erhebungssituation 
  • begrenzte Gestaltungsoptionen sowie bedingter Umfang des Fragebogens selbst
  • eingeschränkte Fragetypen (Dropdown-Fragen, Schieberegler, Sternbewertung, interaktive Objekte nicht möglich)
  • aufwendig und zeitintensiv (u.a. bei Verteilung, Sammlung, Auswertung der Ergebnisse) 
  • ggf. kostenintensiv (im Vergleich zu webbasierten Anwendungen/Programmen zur Erstellung von Online-Fragebogen)

 

Die richtigen Fragen stellen

Besonders anspruchsvoll ist es, Fragen zu formulieren. Grundsätzlich können die Fragen im Rahmen eines Fragebogens auf zwei Arten präsentiert werden: offen oder geschlossen.
 

Geschlossene Fragen

Sie geben die Antwortmöglichkeit vor. Voraussetzung für das Erstellen solcher Fragen ist ein umfassendes Wissen über die Theorie hinter den erfragten Konstrukten. Ihre Auswertung ist schnell und einfach möglich. Jedoch kann es sein, dass die vorgegebenen Antwortkategorien nicht die eigene Wahl der Proband*innen repräsentieren. Geschlossene Fragen sehen in einer medizinischen Befragung z. B. so aus:
Können Sie im Freien auf ebenem Gelände gehen? 
  • Ohne jede Schwierigkeit
  • mit einigen Schwierigkeiten
  • mit großen Schwierigkeiten
  • nicht dazu in der Lage

Offene Fragen

Sie ermöglichen es den Proband*innen, frei formulierte Antworten zu notieren. Im Rahmen quantitativer Untersuchungen stellt das offene Frageformat eher eine Ausnahme dar, da es schwierig (aber nicht unmöglich) ist, die Antworten quantifizierbar zu machen. Die Auswertung solcher Fragen muss dann in der Regel durch eine weitere, qualitative Methode (z. B. Inhaltsanalyse) erfolgen. 
Oft wird dieses Format jedoch genutzt, um in Form eines zusätzlichen Antwortfeldes weitere Informationen zu erhalten, die durch geschlossene Antwortkategorien nicht abgedeckt werden (vgl. Perkhofer et al. 2016b, 163-165). Für die Verwendung geschlossener Antwortmöglichkeiten existieren unterschiedliche Skalierungsverfahren:

Nominale Skalen

Die Antwortkategorien stellen reine Bezeichnungen ohne Rangordnung dar (sogenannte "Labels"). Das sind z. B. die Angabe von Geschlecht (männlich, weiblich, divers),  Religionszugehörigkeit (christlich, jüdisch, muslimisch, hinduistisch, buddhistisch, andere) oder auch von Postleitzahlen.

Ordinale Skalen

  • Likert-Skala oder numerische Rating-Skala: Die verwendeten Antwortmöglichkeiten sind so konstruiert, dass der Abstand zwischen ihnen als möglichst gleich empfunden wird. Das kann z. B. sein:
Wie zufrieden sind sie im Allgemeinen mit der Verständlichkeit der Informationen?
  • sehr zufrieden
  • eher zufrieden
  • eher unzufrieden
  • sehr unzufrieden
  • Visuelle Analogskala: Eine Linie zwischen zwei Polen symbolisiert ein Kontinuum zwischen zwei extremen Merkmalsausprägungen. An den Endpunkten werden die extremen Merkmalsausprägungen verbal beschrieben. Entlang der Linie nehmen die Proband*innen dann ihre Einschätzung vor. 
  • Guttman-Skala: Es werden Aussagen vorformuliert und die Proband*innen sollen angeben, ob sie dieser Aussage zustimmen oder ob sie nicht zustimmen. Die Skala wird theoretisch gebildet und die einzelnen Aussagen bauen aufeinander auf (vgl. Perkhofer et al. 2016b, 164-167).

 

Nehmen Sie an einer beliebigen Fragebogenstudie teil (Aufrufe zur Teilnahme finden Sie z.B. am schwarzen Brett der Uni oder online in Uni-Gruppen auf Facebook). Prüfen Sie den fremden Fragebogen kritisch auf
  • Vor- und Nachteile der gewählten Variante (online/analog),
  • die Durchführungsbedingungen,
  • die Wahl der Frage- und Antworttypen/Skalen, 
  • den Aufbau des Fragebogens (z.B. Wahl der Einstiegsfragen, Anordnung der Fragen, nachvollziehbare Struktur). 
Was sind die Stärken und Schwächen der Erhebung? Finden Sie vielleicht sogar Fehler?


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