Wissenschaftliches Denken & Arbeiten

Was ist überhaupt "Wahrheit"?

Im vorangegangenen Kapitel sahen Sie Beispiele an wissenschaftlichen Fragestellungen. Wenn diese wissenschaftlichen Studien nun zu bestimmten Befunden kommen: Entsprechen diese Erkenntnisse überhaupt der Wahrheit?

Was ist eine wahre Erkenntnis und was eine unwahre? Wann ist eine sprachliche Aussage wahr? Wahrheit spielt eine überaus wichtige Rolle in unserem täglichen Leben, in der Politik, in der Wissenschaft und in der Rechtsprechung. Bis heute war und ist erstaunlicherweise jedoch unklar, was "Wahrheit" selbst eigentlich ist. Steckt ein Problem darin?
Der Bezug zur Wahrheit ist manchmal offensichtlich und leicht erkennbar (3 + 4 = 7), jedoch oft sehr schwierig, wenn man an Ereignisse in der Vergangenheit (der wahre Tod Cäsars) denkt, an bestimmte Naturkonstanten (Lichtgeschwindigkeit) oder an zukünftige Ereignisse (Naturkatastrophen aufgrund des Klimawandels).

Bocca Della Verita, Relief an der Kirche Santa Maria in Cosmedin in Rom [Dnalo 01, Quelle: Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0]
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Mittels der Wissenschaft begibt man sich auf die Suche nach der Wahrheit. Es wird nach Ursachen, Zusammenhängen und Hintergründen für verschiedene Phänomene gesucht. Oder man möchte Wirkungsweisen erforschen. Oft meint man, Wahrheit und Wissenschaft gehörten eng zusammen; oft glaubt man sogar, nur in der Wissenschaft von Wahrheit zu reden ("Studien haben bestätigt....").

Aber woher weiß man, was die tatsächliche Ursache oder Wirkung ist?

Schon Aristoteles und Thomas von Aquin und später Immanuel Kant und Gottlob Frege (um nur wenige Philosophen zu erwähnen) beschäftigten sich mit dem Wahrheitsbegriff. Ins Detail gehen wir an dieser Stelle nicht, es soll im Folgenden vielmehr deutlich werden, dass wir nicht wirklich wissen können, was wahr ist, jedenfalls nicht zweifelsfrei. Wahrheit ist vielmehr ein Konstrukt.

Wissenschaftliches Wissen ist vor allem vorläufiges Wissen. So sahen die alten Ägypter um 3000 v. Chr. das Herz als den Sitz der Seele und des Verstandes an; dies galt sehr lange als wahr, denn sogar Aristoteles (um 500 v. Chr.) war davon überzeugt. Aristoteles glaubte auch, dass große Körper schneller fallen als kleine und doppelt so schwere Körper doppelt so schnell. Er vertraute rein auf Logik, führte keine Experimente durch und verstand vieles falsch. Erst 1590 widerlegte Galileo Galilei Aristoteles' Theorie.
 
Wissen ist daher immer abhängig von der jeweiligen Zeit, dem wissenschaftlichen Weltbild, den gemachten Erfahrungen und den möglichen (besseren) empirischen Zugängen. Wissenschaft versucht sich mehr und mehr der Wahrheit zu nähern - durch Methoden und Systematik.
 

"Alle Wahrheiten sind leicht zu verstehen, wenn sie entdeckt sind.
Es kommt darauf an, sie zu entdecken."

[Galileo Galilei (1564 - 1641/2), italienischer Universalgelehrter]