Wissenschaftliches Denken & Arbeiten

Der Forschungskreislauf

Ganz egal, für welche wissenschaftliche Vorgehensweise Sie sich entscheiden (vgl. Kapitel "Die wissenschaftliche Methode"), der Ablauf selbst ist sehr ähnlich: Man erkundet seine Umwelt, verfolgt eigene Interessen und möchte ein bestimmtes Ziel erreichen oder Lösungen bezüglich einer Frage oder bestimmten Problems finden. Meist beginnt es mit einer Beobachtung oder einer Erfahrung, die Neugierde entfacht. Oder wir stehen vor einer Frage bzw. einem Problem, für das wir eine Lösung finden möchten; unser Interesse ist geweckt. Sind wir neugierig und interessiert, dann sammeln wir Informationen, wir erkundigen uns und recherchieren.

Aus den ersten Informationen, die wir haben, entwickeln wir Theorien und Thesen. Dann recherchieren wir weiter, gehen hinein in das Thema und schauen, ob es ähnliche Fragen oder Probleme gab, die bereits gelöst und diskutiert wurden. Wir stellen Vermutungen an und Behauptungen (Hypothesen) auf und versuchen dann, mittels einer bestimmten Methode (z. B. Experiment, Befragung, Beobachtung) mehr Aussagen und Erfahrungen zu erhalten, um herauszufinden, ob wir unsere Theorien so halten können oder eben nicht. Wir erhalten Ergebnisse und präsentieren sie der Öffentlichkeit. Bei den verschiedenen Vorgehensweisen werden häufig neue Beobachtungen gemacht... der Kreislauf beginnt.

Die Grafik bietet einen groben Überblick des Forschungskreislaufes, lassen Sie uns die einzelnen Schritte im Detail ansehen:

Der Forschungskreislauf in 6 Phasen. CC-BY- SA Sabine Treichel (Text) und Maria Stiehl (Grafik) | LLZ

 
Es gibt eine Frage bzw. ein Problem; deren/dessen Beantwortung/Lösung ist das Ziel.
 
Was sämtliche Wissenschaften am offensichtlichsten verbindet, ist der Begriff der „Wissenschaft“. Beide Wissenschaften, sowohl die empirische als auch die theoretische, sind forschende Tätigkeiten, die das Ziel verfolgen, begründetes, geordnetes Wissen hervorzubringen und sich der Wahrheit zu nähern (vgl. Kapitel "Wissen und Wissenschaft"). Je konkreter hierbei definiert ist, was genau untersucht werden soll (eine Frage bzw. ein Problem), desto nachvollziehbarer und verständlicher wird der Argumentationsweg und somit der gesamte Forschungsprozess bis hin zu den Ergebnissen.

Es gibt eine Hypothese (den Ausgangspunkt), die es zu stützen bzw. zu widerlegen gilt.
 
Jede wissenschaftliche Arbeit stützt sich auf eine Idee bzw. Vermutung, eine Hypothese [1] sowie auf eine darauf ausgerichtete gründliche Literaturrecherche [2]: Der aktuelle Stand der Forschung zur Fragestellung wird untersucht, indem andere wissenschaftliche Arbeiten und deren Ergebnisse rezipiert werden. Wissenslücken werden geschlossen. Nach der Literaturrecherche können Sie nun benennen, zu welchen neuen Erkenntnissen Sie in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit gelangen möchten. Sie können hierzu eine wissenschaftliche Fragestellung oder eine Hypothese (oder sogar eine Theorie) formulieren.
Eine wissenschaftliche Fragestellung setzt zwei Variablen fragend in Beziehung (z. B. „Sind Menschen der höheren sozialen Schicht gewissenhafter als sozial benachteiligte Menschen der aus Unterschicht?“). Eine Hypothese formuliert denselben Sachverhalt in einer vorläufigen Annahme, also als vermutete Antwort auf die wissenschaftliche Fragestellung (z. B. „Menschen der sozialen Oberschicht sind gewissenhafter als Menschen der sozialen Unterschicht.“). Eine Theorie ist ein Aussagesystem, das mehrere gut bewährte Hypothesen umfasst.

Es gibt eine kritische Auseinandersetzung; und zwar nach Methode.
 
Wissenschaftliche Methoden sind Vorgehensweisen, mit deren Hilfe wissenschaftliche Fragestellungen geklärt oder Hypothesen überprüft werden [3]. Sie sind das Mittel hin zu dem Ziel, neue Erkenntnisse zu generieren. Die genaue Vorgehensweise unterscheidet sich zwar beim empirischen versus nicht-empirischen Arbeiten, ihnen gemein ist jedoch, dass sie nicht willkürlich, sondern systematisch passieren.
 
Es kommt zu einem Ergebnis (der Lösung) hinsichtlich der Frage bzw. des Problems.
 
Aus einem bestimmten methodischen Vorgehen resultiert ein Ergebnis [4]. Damit können nun Aussagen zu den theoretischen Überlegungen vom Anfang getroffen werden: Wie lautet die Antwort auf die wissenschaftliche Fragestellung? Konnte sich meine Hypothese bewähren? Stimmt die Theorie? Oder kann ich sie nicht stützen und muss erneut nach Informationen schauen?

Die Ergebnisse werden dokumentiert (meist in schriftlicher Form), präsentiert und diskutiert.

Aus unterschiedlichen (intrinsischen und extrinsischen) Gründen endet der wissenschaftliche Forschungsprozess in einer Publikation oder wenigstens in einer Verschriftlichung (z. B. als Nachweis der wissenschaftlichen Befähigung, um eine Idee zu verbreiten, aus finanziellen Interessen) (Herb, 2010) [5]. Die Ergebnisse werden meist in schriftlicher (und weniger oft in mündlicher) Form präsentiert und zur Diskussion gestellt; entweder im Rahmen eines Seminars oder sogar einer Forschungsgruppe. Eventuell können sich dann wiederum neue Fragestellungen ergeben, die es zu verfolgen gilt [6]. In der Regel werden Sie innerhalb Ihres Studiums wissenschaftliche Arbeiten in Textform verfassen, um sich insbesondere im wissenschaftlichen Schreiben zu üben.

 

An dieser Stelle empfehlen wir Ihnen die Beiträge von Wolfgang Balzer "Ist die empirische Wissenschaft hierarchisch geordnet?" sowie von Walter Hussy, Margrit Schreier und Gerald Echterhoff "Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften" (vgl. Literaturquellen).