Wissenschaftliches Denken & Arbeiten

Der empirische Forschungsprozess

Der Forschungsprozess empirischer Arbeiten schließt die Formulierung des Forschungsproblems bzw. der Forschungsfrage (1), die Literaturrecherche (2), die Planung und Vorbereitung der Erhebung (3), die Datenerhebung und -auswertung (4) sowie die Verschriftlichung der Ergebnisse (5) ein (Berger-Grabner, 2013). Am Ende werden diese Ergebnisse dann präsentiert und diskutiert (6). Dieser Prozess ist jedoch nicht als einmaliger, linearer Ablauf zu verstehen, der nach der Ergebnispräsentation beendet ist. Vielmehr ergibt sich in der Praxis ein Kreislauf, den Sie sich wie folgt vorstellen können (vgl. Grafik):
 

Der empirische Forschungskreislauf in 6 Phasen. CC-BY- SA Sabine Treichel (Text) und Maria Stiehl (Grafik) | LLZ

 
Die Register beinhalten nähere Details zu den genannten Arbeitsschritten (1) bis (6).
 

Zunächst stellen Sie sich eine wissenschaftliche Frage, der Sie auf den Grund gehen möchten. Was möchten Sie überhaupt gern wissen und untersuchen? Was könnte eine interessante Problemstellung sein? Womit möchten Sie sich näher auseinandersetzen?
Die Frage kann einerseits von einem Auftraggeber vorgegeben sein, z. B. könnten Sie für die Forschungsgruppe Wahlen e. V. eine Wahlprognose treffen wollen. Andererseits kann eine Fragestellung aus einem praktischen Problem resultieren. Ihre Frage kann sich ebenso aus der kritischen Auseinandersetzung mit wissenschaftlicher Literatur ergeben, z. B., indem Sie das methodische Vorgehen einer Studie kritisieren und dieses selbst besser umsetzen möchten.

In jedem Fall formulieren Sie zunächst ein Problem bzw. eine Fragestellung und je präziser und eindeutiger diese verfasst ist, desto einfacher lassen sich die nächsten Arbeitsschritte vollführen. Eine beispielhafte Frage für eine Inhaltsanalyse wäre: "Inwieweit stellen sich Sportlerinnen und Sportler selbst positiver in den neuen Medien dar als Personen, die keinen Sport treiben?" Im Anschluss daran formulieren Sie eine Hypothese bzw. mehrere Hypothesen, die Sie untersuchen und später verifizieren oder falsifizieren. Für unser eben genanntes Beispiel lautet die Hypothese: „Sportlerinnen und Sportler stellen sich in den neuen Medien positiver dar als Nicht-Sportlerinnen und Nicht-Sportler.“

Sobald Sie sich für ein Thema und vor allem für eine präzise Fragestellung entschieden haben, beginnt die Literaturrecherche. Was gibt es bereits an Forschungsergebnissen zur eigenen Problemstellung? Welche Wissenslücken gibt es? Sehen Sie sich bitte entsprechende Literatur an, seien Sie kritisch und konzentrieren Sie sich auf Ihre Fragestellung.

Wenn Sie wissen, was Sie wissen wollen, müssen Sie sich nun fragen, wie Sie zu diesem Wissen gelangen. Wie genau soll Ihre wissenschaftliche Untersuchung aussehen und ablaufen?
Im Wesentlichen sind es vier Aspekte, die Sie bei einer empirischen Untersuchung planen und vorbereiten müssen: Welches Erhebungsinstrument (z. B. Fragebogen) ist sinnvoll? Welche Untersuchungsform (Querschnitt- versus Längsschnittstudie) ist geeignet? Wie soll die Stichprobe aussehen? Und ggf.: Wie verläuft der Pretest (Vorabtest)?

Die Art der Datenerhebung ergibt sich aus Ihrer Planung und Vorbereitung. Was Sie sich bisher theoretisch überlegten, setzen Sie nun praktisch um: Sie sammeln Ihre Daten mittels standardisierter Einzelinterviews, per Gruppendiskussion, offener Leitfadeninterviews, per Beobachtung oder eines anderen Verfahrens bzw. mehrerer Verfahren.
Die in der Datenerhebung gewonnenen Daten werden anschließend aufbereitet und ausgewertet.
Wie das Auswertungsverfahren genau aussieht, hängt von Ihrer Fragestellung, der Art Ihrer Daten und Ihrem statistischen Know-How ab.
Im Gegensatz zu quantitativen Ansätzen steht bei qualitativer Forschung nicht die Überprüfung vorhandener Theorien oder von Hypothesen, im Zentrum, sondern die Bildung neuer Hypothesen.

Die Forschungsarbeit wird nun verschriftlicht. Dies umfasst die Schilderung der Ausgangssituation, der Frage und der Hypothesen, der theoretischen Überlegungen, der Argumentation für das methodische Vorgehen und der Art der Datenauswertung bis hin zur Analyse der Ergebnisse. Was die Ergebnisse für die anfänglichen, theoretischen Überlegungen bedeuten, sollte ebenfalls Bestandteil sein.
Bei der Verschriftlichung sind stets bestimmte formale Anforderungen und Richtlinien zu berücksichtigen. Unterschiedliche Fachbereiche und Lehrkräfte stellen unterschiedliche formale Anforderungen. Bitte kommunizieren Sie hierfür unbedingt mit Ihrer Dozentin oder Ihrem Dozenten, welche Regelungen für Sie gelten.

Zum wissenschaftlichen Arbeiten gehört, dass Sie Ihre Ergebnisse bekannt machen und veröffentlichen. In der Regel sind es zunächst Ihre DozentInnen oder Mitstudierenden, denen Sie Ihre Befunde präsentieren. Bei einer solchen Präsentation werden häufig Ihre Daten und Ergebnisse besprochen und Ihre methodische Vorgehensweise kritisch hinterfragt. Dabei können neue Fragen oder zumindest neue Ideen entstehen, die in einer weiteren Arbeit untersucht werden können.