Wissenschaftliches Denken & Arbeiten
Merkmale wissenschaftlicher Arbeiten
Sie haben bereits erfahren, was Wissenschaft ist, was sie generell ausmacht und welche Theorie dahinter steckt (siehe Kapitel „Wissen und Wissenschaft"). Die Methode, eine systematische Vorgehensweise, das Offenlegen dieses Vorgehens sowie die Einladung zur Kritik unterscheiden die Wissenschaft von Alltagswissen, Journalismus, Politik und Voraussagen. Jede schriftliche Arbeit und jedes Referat folgen dieser Logik.
Auf den nächsten Seiten lernen Sie die Merkmale und Kriterien wissenschaftlichen Arbeitens kennen, bevor Sie im Anschluss von den konkreten Arbeits- bzw. Schreibphasen und später von wissenschaftlichen Textsorten erfahren.
Merkmale wissenschaftlicher Arbeiten
Wir möchten Ihnen die wichtigsten Kennzeichen wissenschaftlicher Arbeiten näher bringen, die u. a. der italienische Wissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller Umberto Eco (1932 - 2016) formulierte. (Wenn Sie sich mit Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit beschäftigen, werden Sie früher oder später auf den Namen Umberto Eco stoßen.)
![]() | Bitte lesen Sie sich im Folgenden die wichtigsten Kriterien (nach Eco) durch und versuchen Sie diese für sich und Ihr Projekt zu durchdenken! |
Die wissenschaftliche Arbeit bzw. Untersuchung muss ein Problem bzw. einen "Gegenstand" behandeln; es muss ein klar erkennbares Thema geben. Sowohl für die Rezipienten als auch hinsichtlich des eigenen Erkenntnisinteresses muss dieses Thema deutlich, einsichtig und verständlich werden. “Die Untersuchung behandelt einen erkennbaren Gegenstand, der so genau umrissen ist, dass er auch für Dritte erkennbar ist.” (Eco, 2007, S. 40). So genannte "Gegenstände" können Verhaltensweisen sein, Entscheidungen oder Reaktionen, Hintergründe, Motive oder Ereignisse.
>> Was ist der Gegenstand Ihrer Arbeit? Welchem Problem bzw. welcher Frage möchten Sie warum nachgehen?
Wesentliches Ziel einer wissenschaftlichen Arbeit ist der Gewinn neuer Erkenntnisse. “Die Untersuchung muß über diesen Gegenstand Dinge sagen, die noch nicht gesagt worden sind, oder sie muß Dinge, die schon gesagt worden sind, aus einem neuen Blickwinkel sehen.” (Eco, 2007, S. 41). Wenn beispielsweise vorhandenes Wissen aus verschiedenen Literaturquellen neu zusammengestellt, zueinander in Beziehung gebracht und interpretiert wird, dann kann dies ebenso neu sein und neue Erkenntnisse hervorrufen.
>> Welches Ziel verfolgen Sie in Ihrer Arbeit? Was ist neu (und vielleicht besonders)?
Ein weiteres Ziel ist die praktische Nützlichkeit. "Die Untersuchung muß für andere von Nutzen sein.” (Eco, 2007, S. 42) Die Arbeit fügt dem bisherigen Wissen etwas Neues hinzu; bereits das kann nützlich sein. Wenn aber ein einmaliges und spezielles Ereignis oder ein nicht wiederkehrendes Phänomen (z. B. ein Streik oder ein Wahlergebnis) untersucht wird, kann dies theoretisch nicht für weitere Untersuchungen interessant sein. Mit sinnvoll formulierten Hypothesen, die eine Übertragung und Verallgemeinerung zulassen, wird das einzigartige Phänomen doch bedeutsam und somit sinnvoll und praktisch. Gleichzeitig bedeutet dies, dass die Ergebnisse überhaupt öffentlich zugänglich sind.
>> Wozu dient Ihre Arbeit? Welchen Nutzen könnten Sie selbst für sich ziehen und welchen Nutzen hätten ggf. Andere oder sogar die Öffentlichkeit?
Nachvollziehbarkeit, im Sinne von Inferenz, sowie Transparenz sind weitere Kriterien beim wissenschaftlichen Arbeiten. Die potenziellen Leser sollen wissen und erkennen, wie die Aussagen zustande gekommen sind; sie sollten den Hintergrund erkennen und dem Argumentationsgang mühelos folgen können. Dies setzt eine wissenschaftlich-systematische, strukturierte und geordnete Vorgehensweise (Methode), eine präzise, klar definierte Zielsetzung sowie Forschungsfrage voraus. Die Herkunft verwendeter Daten und Materialien (Daten- und Literaturquellen) muss offen dargelegt sein. Eco: "Die Untersuchung muß jene Angaben enthalten, die es ermöglichen nachzuprüfen, ob ihre Hypothesen falsch oder richtig sind, sie muß also die Angaben enthalten, die es ermöglichen, die Auseinandersetzungen in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit fortzusetzen.” (Eco, 2007, S. 44)
>> Welche Methode wenden Sie selbst in Ihrer Arbeit an, um Ihre Frage zu beantworten bzw. Ihr Problem zu lösen? Warum verwenden Sie ausgerechnet diese Methode und keine andere? Was sind Hintergründe für Ihre Entscheidung, wie argumentieren Sie und auf welchen Quellen basiert dies?