eStories: Logbuch zum Einsatz digitaler Medien in der Lehre

Blog der Arbeitsgruppe Medien und E-Learning an der JLU Gießen. Wir informieren über aktuelle E-Learning-Angebote und -Services

E-Learning im Fremdsprachenunterricht: Ein Interview mit Angelique Hertzel – Arbeitsbereich Deutsch als Fremdsprache

[gz553] - 1. Jul 2021, 8:00am

Auch der Fremdsprachenunterricht musste sich in den letzten eineinhalb Jahren auf Online-Lehre umstellen. Wir haben dazu bei Angelique Hertzel (AH) aus dem Arbeitsbereich Deutsch als Fremdsprache nachgefragt und ein kurzes Interview mit ihr geführt. Gerade im Bereich der Sprachen, in dem Kommunikation nicht nur Mittel, sondern auch Zweck ist, stellte die Pandemie viele Lehrende vor große Herausforderungen. Doch bringen die Veränderungen im Lehralltag nicht nur anfängliche Schwierigkeiten, sondern auch Vorteile mit sich.

Herausforderungen Digitaler Lehre

Um diese zu erkennen lohnt es sich, in den digitalen Alltag einzutauchen, anstatt nur an der Oberfläche zu fischen. Doch wie findet man einen guten Einstieg?

„Sobald man seine Routinen entwickelt hat, ist es egal, ob es sich um ein digitales oder ein Präsenzsetting handelt. Es gibt einfach mittlerweile auch im digitalen Raum so viele Vorteile, die ich eigentlich nicht missen möchte.“

AH: „Die meisten Grammatikbücher und Lehrwerke gibt es mittlerweile digital. Es gibt auch interaktive Versionen, die einem zum Beispiel die Korrektur der Hausaufgaben abnehmen, indem automatisiertes Feedback integriert ist. Man sollte sich auf jeden Fall als ersten Schritt einen Überblick verschaffen. Gleichzeitig muss man natürlich mit Konferenzsystemen vertraut werden. Das ist der nächste essenzielle Schritt. Am Anfang der Pandemie haben wir uns einfach mit befreundeten Lehrkräften zusammengeschlossen und gemeinsam ausprobiert, was gibt es denn hier, was kann Webex, was bieten andere Tools und da finde ich es auch ganz wichtig, immer wieder in die Rolle der Teilnehmenden zu schlüpfen.“

Die Ansicht der Lehrenden und Teilnehmen unterscheiden sich bei den meisten digitalen Tools und Anwendungen, sodass es wichtig zu wissen ist, was man selbst und was die Teilnehmenden sehen. So kann man die eigene Lehre besser anpassen und sich im digitalen Raum zurechtfinden. Eine weitere Möglichkeit, in die Rolle der Teilnehmenden zu schlüpfen, wurde durch die Pandemie befördert.

AH: „Gerade durch die privilegierte Situation, digital unterwegs zu sein, kann man natürlich ohne großen Aufwand auch woanders reinschnuppern. Es öffnet eben auch viele Türen, gerade bei Fortbildung oder eben wirklich mal bei den Kolleg*innen zu schauen. Auch bei Fortbildungen gibt es mittlerweile viele Angebote, grade durch die Pandemie. Da ist es für mich immer interessant die Beobachterrolle einzunehmen und zu reflektieren, wie ist dieser Workshop didaktisch gestaltet, was passiert.“

Tools Einsetzen, Gemeinsam Lernen

Zu den pandemiebedingten Neuerungen des digitalen Settings gehört auch, dass sich die Verhaltensweisen durch diese Form der Interaktion verändern.

AH: „Wir waren alle zu Hause, es ist alles digital und es verschwimmen so auch Teile der privaten und der professionellen Welt. Dadurch ändern sich auch die Höflichkeitsnormen und das Nähe-Distanz-Verhältnis. Einerseits hat man direkten Einblick in die privaten Räumlichkeiten, aber auch dieses Gefühl, vor dem PC zu sitzen und im gleichen Moment einfach auszuschalten zu können und wieder in seinem privaten Leben zu sein. Die Teilnehmenden einer Lehrveranstaltung gehen noch viel stärker in den Rezipientenmodus als im Präsenzunterricht.“

Tools
  • Interaktive Whiteboards
  • Quiz & Umfrage Tools
  • Videokonferenz Tools

Doch gerade mithilfe digitaler Werkzeuge kann dieses Problem ausgeglichen werden:

AH: „Meine Erfahrung zeigt auch, dass die Teilnehmenden nicht von alleine miteinander interagieren. Wenn ich mich 5 Minuten zu früh einschalte und die Teilnehmenden sind da, dann passiert eigentlich nichts ohne mich. Es gibt schwarze Kacheln, es werden keine Kameras angemacht, es passiert keine Interaktion. Es ist einfach nicht wie in einem physischen Raum. Mittlerweile mache ich das so, dass ich bei Breakout-Sessions häufig länger Zeit gebe, weil ich die Hoffnung habe, dass dann die ersten Minuten für den informellen Austausch genutzt werden und dass man dann sagt, okay, komm, wir machen dann jetzt doch mal die Aufgabe. Gleichzeitig spreche ich das auch an. Ich habe auch auf den Plattformen Stud.IP und ILIAS ein Forum geschaffen, das habe ich einfach „das Café“ genannt, wo gerne soziale Dinge oder Treffen stattfinden können. Das größte Manko ist einfach im sozialen Bereich und ich habe trotzdem das Gefühl, dass man, auch wenn man sich noch nie persönlich gesehen hat, trotzdem gut zusammenwachsen kann. Es hilft, die Studierenden selbst mit ins Boot zu holen und sie in die Verantwortung zu ziehen; dass man sie ermutigt zu partizipieren und noch einmal deutlich macht, dass das Gelingen der Lehre auch immer einen gewissen Grad Eigenverantwortung hat.“

Beim Einsatz solcher digitalen Tools gibt es natürlich auch bestimmte Dinge zu beachten.

AH: „Man kann und darf eben doch nicht so viel Medienkompetenzen voraussetzen, wie man das vielleicht antizipiert. Das braucht eben auch bei einer jungen Generation sehr viel Anleitung und auch ein didaktisches Maß. Man muss dann doch überlegen und abwägen, ob es Sinn macht, dann sich noch mal auf einer neuen Plattform einzuloggen und eigene Erfahrungen damit machen. In der Regel sind die Teilnehmenden doch auch schon einmal gut überfordert. Am Anfang sollte man generell nicht zu viele Tools einsetzen. Wie im Präsenzunterricht auch, geht es viel um Routine, das heißt man sollte auch nicht alles auf einmal einführen, sondern wirklich eine handvoll Tools für sich festlegen und diese dann über Routinen und wiederkehrende Verwendung einführen.“

Am Ende geht es auch darum, gemeinsam mit den Teilnehmenden mit dem neuen Setting umgehen zu lernen und sich, wie Angelique Hertzel beschreibt, „mehr als Lerngemeinschaft zu definieren. Ich denke, gerade medienaffine Studierende können da auch ein ganz großer Mehrwert sein. Und da gerne Verantwortung abgeben. Das finde ich auch wichtig.“

Nicht nur auf direkter unterrichtlicher Ebene, sondern auch in der Forschung und Kollegialität verändern sich die Routinen durch die Verlagerung in die digitale Welt.

AH: „Insbesondere Twitter ist hier zum Katapult für Forschungsergebnisse, aber auch den kollegialen Austausch geworden. Unter dem Hashtag #digitale Lehre, #twitterlehrerzimmer oder #twittercampus werden Veranstaltungshinweise und Fortbildungsangebote sichtbar, jüngste Forschungsergebnisse geteilt, ebenso wie Erfahrungswerte und Empfehlungen für digitale Werkzeuge und Tools bereitgestellt.“

Die aktuelle Pandemie wird hoffentlich bald ihr Ende finden. Wir haben nachgefragt, ob  das im Arbeitsbereich DaF auch bedeutet, dass in der digitalen Lehre die Uhren wieder zurückgedreht werden.

AH: „Genauso wie die plötzliche Umstellung auf volldigitalisierte Lehre zunächst ein Schock war und das Herausspringen aus der Komfortzone forderte, empfinde ich nun den Gedanken an die Rückkehr in die Präsenz. Ich hoffe und glaube fest daran, dass auch Skeptiker*innen nun liebgewonnenen Vorteile der Online-Lehre für sich mitnehmen und in den Präsenzunterricht rückkoppeln. Ganz konkret denke ich da an interaktive Lernmaterialien zur individuellen Auseinandersetzung und Aufarbeitung außerhalb der Präsenzzeit, ebenso wie an digitale Klausuren zur Entlastung des Lehrpersonals und andererseits die Anreicherung des Unterrichts durch passende Tools. Das Wichtigste ist damit für mich die Steigerung der Effizienz der gemeinsamen Unterrichtszeit, nämlich abzuwägen, welche Inhalte und Lernziele die soziale Komponente brauchen und welche in den digitalen Raum zur individuellen Auseinandersetzung und Vertiefung ausgelagert werden können - im Prinzip genau das nun endlich in die Praxis umzusetzen, was in der Mediendidaktik mittlerweile seit Jahrzehnten diskutiert wird und bislang zu wenig Berücksichtigung gefunden hat."