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leitfadengestütztes Interview

Leitfaden: systematisch anzuwendende Vorgabe für den Interviewverlauf, häufig in Fragenbündeln strukturiert

1 Charakteristika & Durchführung

Häufig angewendete Form des Interviews in der qualitativen Forschung
  • Eine Forschungsfrage soll durch leitfadengestützte Interviews beantwortet werden
  • Relevante Kern- und Unterfragen werden anhand dieser Forschungsfrage und eventuell bereits vorhandener Literatur im Vorfeld definiert
  • Ablauf des Interviews: kurze Einführung, dann Durchführung des Gespräches anhand des Leitfadens
  • Befragte/r hat relativ freie Antwortmöglichkeiten
  • Möglichkeit für Rückfragen
  • halb-offenes Gespräch

2 Anforderungen an den Interviewleitfaden

Einen Leitfaden können Sie beispielsweise so aufsetzen, dass Sie sich die wichtigsten Kernfragen notieren und für welche Bereiche oder Aspekte Ihres Forschungsinteresses Sie Antworten erwarten. Erstellen Sie zu diesen Aspekten optionale Unterfragen. Falls die entsprechenden Aspekte durch Ihre Interviewpartner nicht von selbst angesprochen werden, können Sie diese anhand der Unterfragen abfragen. Halten Sie das Gespräch so offen wie möglich und stellen Sie keine Suggestivfragen, sondern fordern Sie zum Erzählen auf.

Anforderungen an einen Leitfaden in der Übersicht:
  • Einhaltung der Grundprinzipien der qualitativen Forschung
  • Offenheit
  • Formale Übersichtlichkeit
  • Handhabbarkeit und Verständlichkeit
  • Strukturierung entlang des natürlichen Erinnerungs- und Argumentationsflusses, ohne plötzliche Themenwechsel
  • Einteilung nach zusammenhängenden Themenfeldern
  • klare Trennung von Erinnerungsfragen und reflektierenden oder bilanzierenden Fragen
Für die Interviewsituation gilt:
  • Lesen Sie die Fragen nicht ab, prägen Sie sich den Ablauf des Leitfadens bestmöglich ein; legen Sie den Leitfaden vor sich, sodass Sie jederzeit kurz darauf schauen können, und lassen Sie gegebenenfalls Platz für kurze Notizen auf Ihrem Leitfaden; Ihre Aufmerksamkeit gilt aber möglichst Ihrer interviewten Person
  • Lassen Sie spontan produzierte Erzählungen Ihrer Interviewpartner zu
(siehe Helfferich 2019)

3 Anforderungen an die Frageformulierung

Nach Kruse 2014, S. 215-217
  • Offene Fragen, keine geschlossenen
    • Geschlossene Frage = Frage mit ja/nein Antwort
  • Eindeutige und unmissverständliche Fragen
  • Eine Frage auf einmal
  • Einfache Wortwahl: Alltagssprache, keine Fachsprache
  • Keine suggestiven Fragen (Bsp.: "Sie haben doch bestimmt...“)
  • Keine wertenden oder aggressiv klingenden Fragen
  • Keine Scham- und Schuldgefühle auslösenden Fragen
  • Keine Erwartungen andeuten (Bsp.: Sie haben doch X gemacht, war es dann nicht auch YZ für Sie?)
  • Möglichst ergebnisoffene Stimuli, keine Vorannahmen (Bsp: "als kleines Mädchen" oder "als pubertierender Junge" hat bestimmte soziale Implikationen)
  • Aktives Zuhören zeigen, möglichst neutral gestalten (nicht: "oh wow, mega, wirklich??", sondern gesprächserhaltene Affirmationen wie "mhm", auch diese eher sparsam)
  • Möglichst wenig Paraphrasen
  • Tabuthemen vorsichtig und, wenn überhaupt, Richtung Ende eines Interviews ansprechen

Helfferich C. Die Qualität qualitativer Daten. Manual für die Durchführung qualitativer Interviews. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 4/ Wiesbaden 2011
Helfferich C. Leitfaden- und Experteninterviews. In: Baur N, Blasius J. Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Springer, Wiesbaden 2019
Kruse, Jan (2015): Qualitative Interviewforschung. Ein integrativer Ansatz. 2. Aufl. Weinheim & Basel: Beltz Juventa.

Last edited: 22. Лип 2021, 10:46am, [gm2466]


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