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Beobachtung
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[Ausblenden]Englisch: observation, scientific observation
Erhebungsmethode, bei der Gegebenheiten für die Analyse aufgezeichnet werden
1 Was bedeutet Beobachtung im wissenschaftlichen Kontext?
In der Wissenschaft ist eine Beobachtung eine Datenerhebungsmethode, in der je nach Fachrichtung spezifische Phänomene, Prozesse, Eigenschaften, Ereignisse, Symptome und/oder Verhaltensweisen systematisch erfasst und dokumentiert werden (nach Thierbach & Petschik 2019). Sie kann durch die Sinnesorgane der Forschenden und mithilfe von Aufzeichnungsgeräten oder Messgeräten stattfinden. Ihre Ergebnisse können hierbei qualitativ oder quantitativ sein.
2 Welche Arten von Beobachtungen gibt es?
Siehe auch ethnographische Beobachtung
Wissenschaftliche Beobachtungen haben verschiedene Klassifikationen, bei denen Sie sich meistens für eine von beiden entscheiden werden. Bei manchen dieser Kriterien sind Mischformen möglich.
Auflistungen der Beobachtungsmodi siehe Döring & Bortz 2016 S. 328-329, Thierbach & Petschik 2019 Kap. 84.2
2.1 Direkte oder indirekte Beobachtung
Bei der direkten Beobachtung nehmen Sie keine Messgeräte zur Hilfe und beobachten unmittelbar mit Ihren Sinnesorganen. Zudem kann mit "direkt" gemeint sein, dass Sie ihren Forschungsgegenstand unmittelbar beobachten, und nicht dessen Folgen oder Spuren.
Die indirekte Beobachtung wird durch Messgeräte vermittelt. Insbesondere in der Sozialforschung ist hiermit auch die Beobachtung der Folgen von Handlungen gemeint, die Sie beobachten, anstatt der Handlung selbst. Beispielsweise können Sie anhand von Abnutzungsspuren auf alten Tastaturen beobachten, welche Tasten am häufigsten benutzt werden.
2.2 Teilnehmende oder nicht-teilnehmende Beobachtung
Wenn Sie in Ihr Feld gehen und mit diesem interagieren, handelt es sich um eine teilnehmende Beobachtung. Vorteil ist hierbei die Nähe zum Feld, jedoch geht hiermit das Risiko eines unbewussten Eingriffes oder einer systematischen Veränderung des Feldes (Link: Bias) sowie des Verlustes der wissenschaftlichen Distanz einher.
Wenn Sie nicht teilnehmen, können Sie entweder im Feld sein und nicht interagieren, oder gar nicht erst im Feld vor Ort sein und beispielsweise stattdessen Aufzeichnungen oder Messungen vornehmen.
2.3 Offene oder verdeckte Beobachtung
Hierbei ist bei menschlichen Teilnehmenden gemeint, dass die Proband*innen von der Beobachtung in Kenntnis gesetzt werden (offen) oder nicht (verdeckt). Insbesondere die verdeckte Beobachtung müssen Sie ethisch und datenschutzrechtlich prüfen. In den meisten Fällen ist das Einverständnis der Teilnehmer*innen erforderlich, damit Sie die Beobachtung durchführen können. Allerdings könnten sich hieraus auch Fehler ergeben, wenn Sie möglichst alltagsnahes Verhalten erforschen möchten, da sich menschliche Teilnehmende eventuell anders verhalten, als wenn sie sich unbeobachtet fühlen.
2.4 Strukturiertheitsgrade für Beobachtungen
Mit "systematisch" ist das Ausmaß der Strukturierung der Beobachtung gemeint. Alle wissenschaftlichen Beobachtungen sollten in irgendeiner Form systematisch ablaufen und sind vorstrukturiert. Bei dieser Einteilung haben Sie keine Dualität, sondern ein Kontinuum: von einer komplett durchstrukturierten bis hin zur möglichst ergebnisoffenen Beobachtung finden Sie selbst eine zu Ihrem Thema passende Balance.
Je strukturierter und gegebenenfalls quantitativer Ihre Beobachtung sein soll, desto mehr müssen Sie im Vorfeld planen und über Ihr Feld wissen. Ihr Beobachtungsbogen ist klar strukturiert und sie müssen im Extremfall nur Haken setzen oder Merkmale auf einer Strichliste zählen.
Unstrukturiertere Beobachtungen lassen hier mehr Freiraum und sind eher für qualitative Forschungsprojekte geeignet. Sie können auch unvorhergesehene Ereignisse erfassen und müssen Ihr Feld im Vorfeld nicht komplett kennen. Allerdings könnten sich während der Beobachtung auch Fragen auftun, was mit dokumentiert werden soll und was nicht.
2.5 Beobachtungsort: natürliches Umfeld oder Labor
Je nach Forschungsfrage bietet es sich an, entweder im natürlichen Umfeld zu untersuchen, oder in von Ihnen vorgegebenen Räumlichkeiten, oder in einem Labor. Was zu Ihrem Projekt passt, hängt auch von der Art der Untersuchungsobjekte ab. Was das "natürliche Umfeld" ist, ist je nach Lebewesen unterschiedlich. Hier sind Mischformen denkbar, beispielsweise die Schaffung eines Beobachtungsortes oder besonderen Bedingungen im gewohnten Umfeld Ihrer Untersuchungsobjekte.
Wenn Sie einen Beobachtungsort wählen, der allen Teilnehmenden unbekannt ist, erhöhen Sie die Vergleichbarkeit der interindividuellen Ergebnisse. Im natürlichen Feld müssen Sie gegebenenfalls den individuellen Bezug zum Beobachtungsort berücksichtigen.
2.6 Fremdbeobachtung oder Selbstbeobachtung
Die Fremdbeobachtung ist hier wohl die häufiger anzutreffende Form, bei der Sie andere Personen oder Gegebenheiten betrachten. Bei der Selbstbeobachtung sind Sie selbst Ihr*e eigene*r Untersuchungsteilnehmer*in. Auch hier ist eine Mischung denkbar, wenn Sie beispielsweise in der teilnehmenden Beobachtung auch Ihr eigenes Verhalten mit erfassen.
3 Dokumentation der Beobachtung
Um das Beobachtete auswerten und interpretieren zu können, müssen Sie das Gesehene dokumentieren. Hierfür erstellen Sie je nach Strukturierungsgrad im Vorfeld einen Bogen, den Sie ausfüllen, oder Sie nehmen ein Notizbuch mit ins Feld ("Feldtagebuch"). Ein Beispiel für einen Beobachtungsbogen finden sie in der Quelle Döring & Bortz (2016) auf S. 341.
Unmittelbar nach Ihrer Beobachtung schreiben Sie ausführlich auf, was Sie beobachtet haben, sofern Sie keine Aufzeichnung erstellt haben. Jedoch ist auch bei einer Aufzeichnung Ihres Feldes bei qualitativen, offenen Beobachtungen wichtig, dass Sie sich direkt im Anschluss Notizen machen zu Dingen, die durch Ihre Aufzeichnungsform gegebenenfalls nicht erfasst wurden. In diesem Zusammenhang macht die Beobachtung selbst nur einen sehr kleinen Teil der Arbeit aus, die Nachbereitungszeit müssen Sie in einem vielfachen Bereich ansetzen, im Extremfall 10-20x so lang wie die Beobachtungszeit (Döring & Bortz 2016, S. 340).
Im Fall einer strukturierten oder quantitativen Beobachtung stecken Sie vergleichsweise mehr Zeit in die Vorbereitung. Bei der Beobachtung selbst füllen Sie Ihren vorbereiteten Bogen aus und haben im Anschluss bereits strukturierte Daten vorliegen, die Sie dann auswerten können.
Döring, Nicola; Bortz, Jürgen (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
Lamnek S, Krell C. Qualitative Sozialforschung. Beltz 6/ Weinheim, Basel 2016
Thierbach, Cornelia; Petschick, Grit (2019): Beobachtung. In: Nina Baur und Jörg Blasius (Hg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Bd. 36. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 1165–1181.
Zuletzt geändert: 7. Sep 2021, 4:10pm, [gm2466]