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Äquivalenz

Englisch: equivalence

Gleichartigkeit zweier oder mehrerer Sachverhalte

Äquivalenz spielt unter anderem in kulturvergleichenden Studien für die Vergleichbarkeit Ihrer Populationen eine entscheidende Rolle.

Dieser Artikel ist noch unvollständig und behandelt bisher nur die Bedeutung von Äquivalenz in kulturvergleichenden Studien

1 Äquivalenz in der kulturvergleichenden Forschung

Quellen für dieses Kapitel: Braun 2019, Johnson et al. 2010, Rippl & Seipel 2015

1.1 Äquivalenz in der Theorie

"Um eine Vergleichbarkeit in kulturvergleichenden Studien zu gewährleisten, muss eine Äquivalenz der theoretischen Konzepte und der zugeordneten Messungen zuerst festgestellt werden. Es ist keineswegs selbstverständlich, dass theoretische Konzepte sich in allen Kulturen überhaupt wieder finden oder auch in gleicher Form messbar sind.“ (Rippl und Seipel 2015, S. 68). Am Anfang Ihrer Studie lesen Sie Literatur. Bei interkultureller Forschung lesen Sie Literatur aus allen betrachteten Ländern, Gesellschaften bzw. Kulturkreisen. Sie brauchen alle Definitionen Ihres Forschungsbegriffs, mit allen Aspekten, Dimensionen und Funktionen, und zwar aus allen Kulturkreisen, die Sie betrachten. Diese umfangreiche Recherche ist Grundvoraussetzung für das Verständnis Ihres Begriffs und schließlich die Herstellung eines Konstruktes, das für alle betrachteten Kulturen gleichwertig, also äquivalent ist. Man kann die Äquivalenz auf zwei verschiedenen Wegen herleiten: Einerseits kann man auf universell gültige, bereits in der Theorie für plausibel befundene Aspekte zurückgreifen. Andererseits kann man empirisch induktiv arbeiten, also dass man die Äquivalenz oder Gemeinsamkeiten zwischen den untersuchten Populationen überhaupt durch die Studie erst nachweist. Daher müssen Sie im Vorfeld festlegen, welche Länder oder Kulturen Sie miteinander vergleichen. Sie wählen entweder mögichst unterschiedliche oder möglichst gleiche Länder aus. (siehe auch Rippl & Seipel 2015, S. 75-80)

1.2 Äquivalenz in der Operationalisierung

Wenn Sie zwei oder mehr verschiedene Länder, Regionen, Gesellschaften oder Kulturen vergleichen, ist es wichtig, dass Sie neben passenden Theorien aus der Literatur auch Daten erhalten, die vergleichbar sind. Eine Voraussetzung für Vergleichbarkeit der Daten ist die Äquivalenz der Operationalisierung.
Die Operationalisierung einer kulturvergleichenden Studie gestaltet sich daher als besondere Herausforderung. Wenn Sie beispielsweise die Intelligenz verschiedener Landespopulationen vergleichen möchten (Beispiel siehe Rippl & Seipel 2015 ab S. 68), müssen Sie zahlreiche Hintergründe beachten. Je nach Kultur ist mit „Intelligenz“ etwas komplett anderes gemeint. Für Populationen ohne Schulsystem sind nicht die gleichen Tests anwendbar wie für Populationen mit Schulpflicht und einem durchorganisierten Bildungssystem. Wenn Sie den hiesigen Intelligenztest, der auf kognitive Fähigkeiten ausgerichtet ist, in einem Land anwenden, dessen Intelligenzbegriff auf soziale Kompetenzen gerichtet ist, werden Sie Ihr eigenes Land übervorteilen. Was benutzen Sie also als Indikator für Intelligenz?
Die Antwort auf die Frage nach dem Indikator für Intelligenz ist also ein klares „es kommt darauf an“. Machen Sie sich klar, welche Aspekte Ihres Forschungsthemas Sie erfassen möchten, und welche Rolle die kulturellen Unterschiede in Ihrer Erhebung spielen. Dieser Typus der Äquivalenz nennt sich Konstruktäquivalenz und ist für den Erfolg Ihres Vergleiches entscheidend. Wie äußert sich Ihr Forschungsgegenstand in den betrachteten Kulturen? Welche Aspekte und Dimensionen sind ihm zuzuschreiben, und wo gibt es Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Eindeutige und operationalisierbare Definitionen Ihrer Variablen, Konzepte und Begriffe sind ein weiteres Qualitätsmerkmal Ihrer interkulturellen Studie. Auch hier helfen Ihnen die Literatur und Pretests. (Siehe auch Rippl & Seipel 2015, S. 80-81)

1.3 Äquivalenz in der Stichprobe

Auch hier gilt natürlich, dass Ihre Stichprobenziehung von Ihrer Methodik abhängt.
Zusätzlich zur Überlegung, welche Population Sie heranziehen, stellt sich hier logischerweise die Frage, welche zwei oder mehr zu vergleichenden Populationen erhoben werden sollen. Hier können Sie entweder ein convenience sample befragen, also leicht zugängliche Populationen. Oder Sie erheben aus systematisch oder zufällig ausgewählten Ländern bzw. Kulturkreisen. Die am häufigsten durchgeführte Erhebung ist das convenience sampling, allerdings ist hier keine universelle Gültigkeit zu erwarten. Studien mit Zufallsauswahl können zwar eher allgemeine Aussagen machen, sind jedoch wesentlich schwieriger durchzuführen.
Innerhalb der Länder entscheiden Sie sich wiederum für eine Stichprobe aus Individuen. Hier muss gewährleistet sein, dass Sie vergleichbare Individuen aus Ihren Kulturkreisen befragen. (Siehe auch Rippl & Seipel 2015, S. 81-82)

1.4 Äquivalenz in der Erhebungsmethode

Interkulturell vergleichende Studien werden am sinnvollsten in einem multikulturellen Team erstellt, mit Mitgliedern aus allen zu untersuchenden Kulturen. Sie können eventuell auch auf bereits vorhandene, bewährte Erhebungsinstrumente zurückgreifen. Es gibt einige Fragebögen, die sich im kulturvergleichenden Bereich bereits durchgesetzt haben und häufig verwendet werden.
Für die eigene Erstellung von Fragebögen und Interviewleitfäden gibt es zwei Möglichkeiten für die Herstellung von Äquivalenz (siehe Rippl & Seipel 2015, Kapitel 6): entweder Sie erstellen innerhalb der einen (eigenen Kultur) einen Fragebogen und dann übertragen Sie ihn zunächst durch eine wörtliche Übersetzung auf das andere Land. Nach und nach nehmen Sie kulturspezifische Aspekte aus dem Fragebogen heraus, bis es passt. Das hat jedoch einen häufigen Nachteil: der Fragebogen ist am Ende schlimmstenfalls inhaltsleer und liefert keine Ergebnisse. Eine Alternative ist der sogenannte convergence approach: Sie erstellen für jedes Land spezifische Fragen, die alle in jedem Land gestellt werden, jedoch äquivalente Phänomene abbilden. Hierfür ist viel Verständnis für die jeweils andere Kultur notwendig. Beispiel: Sie möchten in zwei weit voneinander entfernt liegenden Regionen Geographiewissen erfassen. Hier müssen Sie darauf achten, dass nicht für das eine Land die geographische Nähe der Fragen gegeben ist und für das andere nicht. Die Fragen sollten so gestellt sein, dass sie in beiden Ländern das gleiche Maß an Vertrautheit einnimmt.
Voraussetzung der Äquivalenz Ihres Erhebungsinstrumentes ist also das Vorhandensein von Konstruktäquivalenz. Falls Ihr theoretisches Konzept nicht in allen untersuchten Kulturen existiert, können Sie dieses selbstverständlich auch nicht vergleichen. Auch wenn Sie genau gleiches Verhalten in verschiedenen Kulturen beobachten: die Bedeutungen der Handlungen können komplett unterschiedlich sein. Daher muss sowohl beim „was“, als auch beim „wie“ der Messung Äquivalenz hergestellt werden. Kulturspezifische Antworttendenzen müssen bei der Auswertung ebenfalls berücksichtigt werden. Beispiele hierfür sind unterschiedliche Ausmaße der Antworttendenz hin zur sozialen Erwünschtheit, der Vermeidung von Extremantworten einer Skala oder der Zustimmung zu Fragen. Hier sollten Sie in der Literatur nachsehen. Eine ausführliche Beschreibung von verschiedenen Antworttendenzen in der interkulturellen Forschung finden Sie in der untenstehenden Quelle von Johnson et al. 2010. Suchen Sie für Ihre Kulturen typische Antworttendenzen aus der bisherigen Literatur heraus. Apropos Skala: Falls Sie mit einem quantitativen Fragebogen arbeiten, sollten Sie im Vorfeld abstecken, welche Ausprägungen in den Skalen in Ihren Zielländern die gleiche „objektive“ Intensität ausdrückt, beispielsweise durch einen Pretest. Die in Deutschland typische Skala von „stimme überhaupt nicht zu“ bis „stimme voll zu“ drückt in der wörtlichen Übersetzung nicht in jeder Sprache das gleiche aus.

1.5 Äquivalenz in der Analyse

Ihre Analyse sollte intrakulturell sowie interkulturell stattfinden. Hier ist die Äquivalenz nicht mehr unbedingt die Voraussetzung wie in der Planung und Durchführung der Erhebung, sondern hier ist die Stelle, an der das Vorhandensein von Äquivalenz in Planung und Durchführung geprüft wird. In quantitativen Erhebungen sind hier statistische Tests möglich. Für die Validierung der verwendeten Konstrukte können die Überprüfungsmethoden herangezogen werden, die auch bei monokulturellen Studien Anwendung finden.
Da Sie innerhalb und zwischen den Ländern Daten erhoben haben und diese analysieren, haben Sie immer verschiedene Ebenen in Ihrer Auswertung. Daraus können sich Fehler ergeben. Weitere potenzielle Fehlerquellen sind beispielsweise Aussagen über Zusammenhänge oder pauschalisierte Schlussfolgerungen, die den kulturellen Einfluss nicht oder auf eine falsche Art und Weise erfassen, oder Differenzperspektiven, die Überschneidungen zwischen den Kulturen außer Acht lassen. Äquivalenz kann und sollte in der Analyse durch verschiedene Verfahren geprüft werden. (Siehe Rippl & Seipel 2015, Kap. 8)

  • Braun, Michael (2019): Interkulturell vergleichende Umfragen. In: Nina Baur und Jörg Blasius (Hg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Bd. 48. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 907–918
  • Johnson, Timothy P.; Shavitt, Sharon; Holbrook, Allyson L. (2010): Survey Response Styles Across Cultures. In: David Matsumoto und Fons J. R. van de Vijver (Hg.): Cross-Cultural Research Methods in Psychology. Cambridge: Cambridge University Press, S. 130–176
  • Rippl, Susanne; Seipel, Christian (2015): Methoden kulturvergleichender Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Zuletzt geändert: 1. Sep 2021, 12:54pm, [gm2466]


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