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Forschungsfrage

Englisch: research question (RQ)

Frage, auf die Ihre Forschungsarbeit eine Antwort liefern soll

Für eine eingehende Auseinandersetzung und Tipps für das Finden einer Forschungsfrage sei an dieser Stelle das Buch "Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben" (Esselborn-Krumbiegel 2017) zu nennen; das folgende Kapitel basiert in großen Teilen auf den Inhalten von Esselborn-Krumbiegel (2017, Kapitel 3) und kann Hilfestellung beim Finden einer Forschungsfrage leisten.

Die Forschungsfragen werden oft mit F, oder RQ für research question, abgekürzt und, falls es mehrere Forschungsfragen gibt, durchnummeriert (z.B. RQ1, RQ2, RQ3,...)

1 Ideen sammeln

Um eine eigene Fragestellung zu finden, sammeln Sie zuerst Ideen. Diese können Sie beispielsweise in einem Dokument, einem wissenschaftlichen Tagebuch oder auf Notizzetteln festhalten. Sie können auch Ihre Vorlesungsinhalte als Anregungs- und Anknüpfungspunkt heranziehen (Forschungstagebuch siehe Esselborn-Krumbiegel S. 36).
Es gibt verschiedene Möglichkeiten für die Strukturierung dieser Ideen, die im Anschluss stattfindet. Die bekannteste ist sicherlich die Mindmap. Sie schreiben einen zentralen Begriff in die Mitte und malen davon ausgehend Zweige mit Unterbegriffen oder Unterfragen (siehe Esselborn-Krumbiegel S. 37 ff.). Die Ideen können auch in Strukturbäumen festgehalten werden. Hier werden dem Begriff sowohl potenzielle Überbegriffe zugeordnet, also auch diesen Überbegriffen weitere potenzielle Unterbegriffe (siehe Esselborn-Krumbiegel, S. 45 ff.).
Diese Methoden helfen Ihnen, Ihr Thema einzusortieren und auch weitere Aspekte zu finden, an die Sie anfangs vielleicht gar nicht gedacht haben.
Außerdem ist beim Findungsprozess wichtig, dass Sie sich immer wieder die Fragen stellen (für Erweiterung dieser Pro-und-Contra-Technik siehe auch Esselborn-Krumbiegel S. 50 ff.):
  • Was interessiert mich am Thema?
  • Was irritiert mich am Thema?
  • Welches Potenzial und welche Limitationen hat meine Forschung?
Ihre genaue Forschungsfrage können Sie dann auch nach Ihrer Literaturrecherche festlegen. Sie lässt sich aus Forschungslücken, wissenschaftlichen Theorien oder Alltagstheorien herleiten. Dies bietet sich in der Regel an, da Sie die genaue Eingrenzung Ihres Themas umso besser auf den Punkt bringen können. (Siehe auch Theorie)

2 Eingrenzen

Als nächstes muss Ihr Thema eingegrenzt werden. Ein typisches Problem, das bei Forschungsarbeiten häufig auftritt, ist eine zu breit gestellte Forschungsfrage. Eine Frage wie „Warum reisen Menschen?“ ist beispielsweise zu unspezifisch. Wie ist „Reise“ definiert? Alle Bewegungen außer Haus? Alle Bewegungen ins Ausland? Sind Dienstreisen mit eingeschlossen oder geht es um Urlaubsreisen? Anhand welcher "Menschen" wollen Sie diese Frage untersuchen? Da weltweit gereist wird, ist die Grundgesamtheit für diese Frage gigantisch.
Eine gute Methode für die Eingrenzung der Forschungsfrage ist der Themenfächer. Sie stellen Ihr Thema oben in die Mitte, suchen Aspekte zu Ihrem Thema heraus und teilen diese in Kategorien ein. Den Aspekt, der Sie am meisten interessiert, verfeinern Sie weiter in mehrere Unterkategorien. Aus diesen können Sie Unterfragen bilden, die Sie im Laufe Ihrer Forschungsarbeit untersuchen möchten.
Außerdem ist es vorab wichtig zu entscheiden, wie Sie bestimmte zentrale Begriffe Ihrer Arbeit definieren. Nicht nur der zentrale Begriff, wie oben das Beispiel "Reise", auch alle anderen für Ihr Thema wichtigen Begriffe müssen in ihrer Definition für Sie und Ihre LeserInnen/PrüferInnen klar sein. Am übersichtlichsten ist eine Auflistung der für Ihre Forschung wichtigen Begriffe und deren Definitionen.
Eine eingegrenztere Forschungsfrage für die Gründe von Reisen könnte beispielsweise "Was sind Auswahlkriterien und Motive bei der Suche von Urlaubszielen bei berufstätigen Personen in Deutschland?" sein, was Sie anhand einer qualitativen Studie untersuchen könnten. Eine Beispielfrage für eine quantitative Studie in diesem Bereich wäre die Frage "Hängt die geographische Entfernung des Urlaubsziels mit dem Haushaltseinkommen zusammen?". Sie sehen, dass Sie bei quantitativen Studien mehr Vorwissen voraussetzen als bei qualitativen Studien, da Sie hier Hypothesen auf Basis bestehender Theorien überprüfen, in qualitativen Studien neue Theorien entwickeln können. Mehr dazu finden Sie im Eintrag zu Operationalisierung.
(siehe Esselborn-Krumbiegel, S. 54 ff.)

Überlegen Sie sich erst die Forschungsfrage und erst danach die Methode. Sie sehen dann anhand dieser Frage, welcher Forschungsansatz für Sie passt.

3 Kontext festlegen

Für eine abgerundete Fragestellung ist nicht nur deren Eingrenzung wichtig, sondern auch deren Einbettung in den größeren Forschungszusammenhang. Wo ist die Lücke? Wo und in welchem Feld möchten Sie sich mit Ihrem Thema in der Forschungslandschaft positionieren? Wer kann von Ihren Forschungsergebnissen profitieren? Wieso ist es beispielsweise wichtig, nach Motiven fürs Reisen zu suchen?
Für die Festlegung des Kontextes Ihrer Arbeit können Sie zum Beispiel den Themenfächer, den Sie für die Eingrenzung erstellt haben, von unten nach oben lesen.
Außerdem können Sie sich in dem Zusammenhang immer wieder die folgenden Fragen stellen (Esselborn-Krumbiegel, S. 67 ff.):
  • Was will ich herausfinden?
  • Welche Unterfragen könnte ich stellen?
  • In wieweit ist mein Thema anderen Themen ähnlich?
  • Worin unterscheidet sich mein Thema von anderen ähnlichen Arbeiten?
  • Was könnte sich an meinem Thema noch ändern?
  • Was soll an meinem Thema unbedingt so bleiben?
  • Welchen Platz hat mein Thema in der Forschungslandschaft?
Eine weitere Möglichkeit für die Suche von Begriffen, Ober- und Unterkategorien und Kontextsuche ist beispielsweise die MeSH-Term-Suche bei PubMed, die für gesundheitsbezogene Fragestellungen geeignet ist, siehe systematische Literaturrecherche.

4 Ziele formulieren

Immer im Hinterkopf haben sollten Sie das Ziel, das Sie mit Ihrer Forschung erreichen wollen. Im Groben gibt es hier zunächst zwei verschiedene Möglichkeiten: neue wissenschaftliche Erkenntnisse (Grundlagenforschung) oder Lösungsansätze für bestehende Probleme (Angewandte Forschung).
Für die Empirie erheben Sie eigene Daten im Feld und beantworten Ihre Forschungsfrage oder testen Ihre Hypothesen anhand dieser Daten. Werten Sie vorhandene Literatur aus und fassen einen Forschungsstand zusammen, oder analysieren und vergleichen Sie die Ergebnisse bereits vorhandener Studien (Metaanalyse, systematisches Review), handelt es sich um eine Theoriestudie. Methodenstudien behandeln die Entwicklung oder Weiterentwicklung einer wissenschaftlichen Methode. Jede dieser Vorgehensweisen birgt ihre eigenen Herausforderungen. Während Sie bei Theoriestudien nicht von Daten im Feld oder dem Vorhandensein von Versuchspersonen abhängig sind, besteht hier Ihre komplette Arbeit aus Literatur, weshalb besondere Ansprüche an Ihre Literaturrecherche gestellt werden. Methodenstudien erfordern Erfahrung in der Wissenschaft und werden von Studierenden eher selten bearbeitet. Für Empiriestudien gibt es verschiedene Designs für Erhebung und Auswertung Ihrer erhobenen Daten, eine Übersicht finden Sie auf der Startseite.
(siehe auch Döring & Bortz 2016, Kap. 7)

Qualitative Forschung hat in der Regel zum Ziel, Antworten auf Forschungsfragen zu liefern, in der quantitativen Forschung werden häufig Antworten auf Forschungsfragen, sogenannte Hypothesen, auf ihre Richtigkeit überprüft.

Döring N, Bortz J (2016). Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissen schaften. Springer, Beriln / Heidelberg.
Esselborn-Krumbiegel H (2017): Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben. Ferdinand Schöningh, Paderborn.
Hussy W, Schreier M, Echterhoff G (2013): Forschungsmethoden in Psychologie und Sozialwissenschaften für Bachelor. Springer, Berlin / Heidelberg (nur am Rande mit eingeflossen)

Zuletzt geändert: 2. Sep 2021, 9:48am, [gm2466]


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