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Stichprobe
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[Ausblenden]Englisch: sample
Untersuchte Elemente aus der Grundgesamtheit
1 Arten von Stichproben
Beliebig bzw. willkürlich gewählte Stichproben werden nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ausgesucht. Hierbei können Sie beispielsweise ein gut erreichbares Sample heranziehen oder nach dem Schneeballprinzip vorgehen. Bei durch den Verteiler der Universität verschickten Umfragen handelt es sich um ein solches, sogenanntes Convenience Sample. Es ist praktikabel und einfach umzusetzen, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Wirklichkeitsverzerrung hier sehr groß und die Übertragbarkeit auf andere Fälle kann schlecht argumentiert werden.
Am stärksten generalisierbar sind Zufallsstichproben. Sie definieren eine Grundgesamtheit und wählen dann mit einem Zufallsverfahren eine bestimmte Anzahl an TeilnehmerInnen oder Elementen aus dieser Grundgesamtheit aus. Hierbei machen Sie es sich umso leichter, je kleiner Sie die Grundgesamtheit definieren. Seien Sie sich aber bewusst, dass Sie Ihre Ergebnisse dann nur auf diese kleinere Grundgesamtheit beziehen können und nicht darüber hinaus.
Anhand der Definition Ihrer Population kann sich auch unterscheiden, ob ein Convenience Sample oder eine Zufallsstichprobe vorliegt. Nehmen wir an, Sie stellen sich auf den Seltersweg und sprechen am Dienstag Nachmittag zwischen 14 und 16 Uhr nach Zufallsprinzip Menschen an. Wenn Ihre Grundgesamtheit die Gießener Bevölkerung ist, handelt es sich hierbei um ein Convenience Sample. Ort und Zeit sind willkürlich gewählt, sie schließen ganze Personengruppen, beispielsweise Vollzeit-Berufstätige, dadurch aus, und in Ihrer Stichprobe können auch Personen aus anderen Städten vorhanden sein. Anders sieht es aus, wenn Sie Ihre Grundgesamtheit als "Personen, die sich an einem bestimmten Dienstag nachmittags zwischen 14 und 16 Uhr im Seltersweg aufhalten" definieren. Sofern Sie nach Zufallsprinzip ansprechen, handelt es sich um eine Zufallsstichprobe. Jedoch sind Ihre Ergebnisse dann auch nur auf diesen, recht kleinen Personenkreis übertragbar und die Frage nach dem Sinn dieser Vorgehensweise muss gestellt werden. In der Praxis finden Sie in der Regel eine Balance zwischen Übertragbarkeit der Ergebnisse und Machbarkeit Ihrer Studie. Eventuelle Limitationen in der Stichprobe können dann im Diskussionsteil besprochen werden.
Bewusste und kriteriengeleitete Auswahl einer Stichprobe basiert, wie der Name bereits erkennen lässt, auf Kriterien. Wenn Ihre Forschungsarbeit auf bestimmten Theorien stützt, muss Ihr Sample im Rahmen dieser Theorie etwas zum entsprechenden Forschungsfeld beitragen können. Hierbei gibt es zwei Vorgehensweisen: das theoretische Sampling, das eher bei qualitativen Studien herangezogen wird, und die Quotenstichprobe für den quantitativen Bereich. Die Merkmale, die Ihre TeilnehmerInnen oder Untersuchungselemente haben sollen, haben Sie zuvor aus Ihrer Theorie abgeleitet. Damit alle gewünschten Merkmale abgedeckt sind, suchen Sie sich Ihr Sample entsprechend heraus.
Für eine Übersicht der verschiedenen Stichprobenverfahren, siehe Bortz 2010, Cleff 2019
- Gelegenheitsstichprobe
- Quotenstichprobe
- Einfache Zufallsstichprobe
- Geschichtete Stichprobe
- Klumpenstichprobe
- Mehrstufige Stichprobe
- Theoretical Sampling als kriteriengeleitete Auswahl in der Grounded Theory und anderer qualitativer Forschungsmethoden
2 Stichprobengröße in der quantitativen Forschung
Wie groß Ihre Stichprobe für eine sinnvolle Aussage sein muss, lässt sich mit verschiedenen Modellen und Analysen aus der Größe der Grundgesamtheit und anderen Faktoren berechnen und hängt zudem von weiteren äußeren Faktoren wie dem verfügbaren Zeit- und Kostenrahmen ab, und ob Ihre Population überhaupt leicht zugänglich ist. Falls Sie in Ihrer Hypothese eine bestimmte Effektgröße erwarten, spielt auch diese eine Rolle in der Bestimmung der Stichprobengröße. Auch Ihr gewähltes statistisches Verfahren bestimmt die Stichprobengröße mit. Normalerweise soll Ihre Stichprobe hinsichtlich des Merkmals oder der Merkmale, die Sie untersuchen, normalverteilt sein, was auch wiederum eine bestimmte Mindestanzahl voraussetzt.
Vereinfacht gesagt ist die Aussagekraft umso besser, je größer die Stichprobe ist. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn Sie die Stichprobe verzerren. Ein repräsentative Stichprobe von 2000 Personen liefert ein besseres Abbild der Realität als eine verzerrte Stichprobe von über 2 Millionen Personen (siehe Beispiel Döring & Bortz 2016 S. 295). Von vornherein vorhandene Fehler in der Stichprobenziehung werden durch größere Stichproben nicht kleiner, sondern nur häufiger wiederholt. Ein typisches Beispiel für einen solchen Fehler ist die Verwendung von Online-Fragebögen für Gesamtpopulationen, in denen nur bestimmte Schichten oder Personengruppen einen Internetzugang haben.
Ein wichtiges Qualitätsmerkmal, das sich spezifisch auf die Stichprobe bezieht, ist die Repräsentativität als Bestandteil der Validität in einer quantitativen Studie.
(Döring & Bortz 2016, Häder & Häder 2019)
3 Stichprobengröße in der qualitativen Forschung
Die Stichprobengröße ist also in der qualitativen Forschung nicht so eindeutig mit einer Formel quantifizierbar wie bei der quantitativen Forschung. Die Erreichung der oben angesprochenen theoretischen Sättigung ist in der Praxis oft nicht umsetzbar. Die Erhebung und Auswertung qualitativer Daten ist pro Element mit einem vergleichsweise großen Aufwand verbunden. Deshalb spielen hier beispielsweise der verfügbare Zeit- und Kostenrahmen, die Größe Ihrer Fragestellung, die Beschaffenheit Ihrer Population oder Grundgesamtheit und praktische Aspekte wie die gewählte Erhebungs- und Auswertungsmethode ebenfalls eine Rolle bei der Stichprobengrößenplanung. (Akremi 2019)
Anhaltspunkte für eine qualitative Stichprobe aus der Literatur sind je nach Forschungsansatz beispielsweise zwischen 5 und 60 Interviews. Selten übersteigt die Teilnehmerzahl den zweistelligen Bereich. Im Rahmen von Dissertationen in der Sozialwissenschaft werden im Durchschnitt 20-30 Interviews durchgeführt (Döring & Bortz 2016).
Akremi, Leila (2019): Stichprobenziehung in der qualitativen Sozialforschung. In: Nina Baur und Jörg Blasius (Hg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Bd. 18. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 313–331.
Bortz, Jürgen; Schuster, Christof (2010): Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler. 7., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin, Heidelberg: Springer (Springer-Lehrbuch). S. 79-82
Cleff, Thomas (2019): Angewandte Induktive Statistik und Statistische Testverfahren. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden. S. 9
Döring, Nicola; Bortz, Jürgen (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
Häder, Michael; Häder, Sabine (2019): Stichprobenziehung in der quantitativen Sozialforschung. In: Nina Baur und Jörg Blasius (Hg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 333–348.
Zuletzt geändert: 1. Sep 2021, 10:55am, [gm2466]