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Kulturvergleich

Englisch: cross-cultural study

Überbegriff für Forschung, in denen verschiedene Kulturen miteinander verglichen werden

1 Kultur

Sowohl „Kultur“ als auch „kulturvergleichende Forschung“ sind sehr weit gefasste Begriffe, die bei Verwendung unbedingt zuerst definiert werden müssen. Es gibt verschiedene Herangehensweisen an die Definitionen (siehe Tabelle 1 auf Rippl & Seipel S. 18) für Kultur und nochmals einige Skalen, die Kulturmerkmale zu messen sucht. Falls Sie sich für ein Thema entscheiden, das Kultur beinhaltet, sollten Sie diesem Begriff eine gesonderte Recherche widmen. Meistens ist eine Art geteilte Mentalität oder Werthaltung damit gemeint. Aus praktischen Gründen bietet sich für Forschung, in der mit dem Kulturbegriff gearbeitet wird, eine möglichst enge Definition an, um Verzerrungen bei der Auswertung oder einfach eine zu große Bandbreite an Interpretationsmöglichkeiten zu vermeiden.
 (Rippl & Seipel 2015)

2 Kulturvergleichende Forschung

Häufig wird in Studien, die „kulturvergleichend“ genannt werden, etwas untersucht, was dem Forscher als fremd erscheint. Durch die Vielfalt an Definitionen für den Kulturbegriff an sich ergibt sich auch für die Definition der kulturvergleichenden Forschung ein facettenreiches Bild. Die kulturvergleichende Forschung ist keine einzelne Methode oder auf andere Art eindeutig abgrenzbar. Normalerweise werden Subjekte aus unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen miteinander verglichen, die Auswahl der TeilnehmerInnen, Datenerhebungs- und -analysenmethode und die Forschungsfrage an sich können hierbei komplett verschieden sein. Auch für die Art der Bevölkerungsgruppen gibt es verschiedene Ansätze. In der Praxis werden häufig Populationen aus unterschiedlichen Ländern, Regionen oder Gesellschaften herangezogen, da sich die Differenzierung auf Basis der „Kultur“ häufig als abstrakt und somit schwierig gestaltet. Wenn wir uns die oben genannte Definition der geteilten Mentalität vor Augen führen, wird es schwierig, treffsicher passende Versuchssubjekte zu suchen. Mit „Gesellschaft“ ist hier die Zugehörigkeit zu einer Institution, beispielsweise der katholischen Kirche, gemeint. Ein Problem des Ländervergleiches ist jedoch wiederum die Annahme, dass innerhalb des Landes alle TeilnehmerInnen in ihrer Kultur homogen sind. Somit sind die meisten als „kulturvergleichende Forschung“ bezeichneten Studien eigentlich ländervergleichende Studien, die die gefundenen Unterschiede mit Landeskulturen zu erklären versuchen.
Kulturvergleiche können wertvolle Erkenntnisse liefern, auch ohne dass mit dem Vergleich als solchem argumentiert werden muss.

(Rippl & Seipel 2015, Kap. 3)

3 Universalismus, Ethnozentrismus und Kulturrelativismus

Vorsicht vor Ethnozentrismus, der Tendenz, die eigene Kultur als Maß aller Dinge zu sehen: möglichst alle Kulturen sollten in der Wertung gleich angesehen werden. Zudem müssen Sie bei der Untersuchung im Feld immer daran denken, dass Sie die fremde Kultur sozusagen durch die Brille Ihrer eigenen Kultur sehen. Beleuchten Sie kritisch, ob Sie die fremde Kultur in ihrer Realität abbilden oder ein Konstrukt erfinden. Komplett die Realität objektiv abzubilden ist andererseits besonders in der Sozialforschung schwierig. Behalten Sie dies immer im Hinterkopf. (Rippl & Seipel, vgl. S. 15, S. 33)

Laut der Theorie des Universalismus haben alle Menschen gewisse Dinge gemeinsam. Es geht in der Vergleichbarkeit eben auch darum, dass es gewisse universell gültige Faktoren geben muss. Dem gegenüber steht der Kulturrelativismus, dass alle Handlungen in ihrem Kontext gesehen werden müssen, und somit nur bei gleichzeitiger Betrachtung der Kultur Sinn ergeben. Bei diesen beiden Haltungen handelt es sich um Extrempositionen. Gewisse Dinge sind allen Menschen aufgrund der biologischen Bedingungen gleich. Grundbedürfnisse wie Essen und Schlafen, die unterschiedlichen körperlichen und geistigen Kapazitäten, die mit dem Alter variieren, sind Beispiele für solche Faktoren. Auch die Fähigkeiten der Menschen, auf der ganzen Welt miteinander kommunizieren zu können, legen gewisse Gemeinsamkeiten nahe, ohne die keine Kommunikation möglich wäre. (Rippl & Seipel 2015, vgl. u.a. S. 33, S. 43)

4 Vergleichbarkeit und Äquivalenz

Siehe separater Artikel zu Äquivalenz

5 Übersetzungen von Erhebungsinstrumenten

Wenn Sie in verschiedenen Ländern arbeiten, ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass Sie auch mit verschiedenen Sprachen arbeiten werden. Daher spielt die Übersetzung Ihres Fragebogens oder Leitfadens eine wichtige Rolle im Erfolg Ihres Projektes. Um auf das Beispiel der Intelligenz zurückzukommen: welche Übersetzungen gibt es für Intelligenz in anderen Sprachen? Welches Wort benutzen Sie in beiden Sprachen, damit das gleiche Konzept damit gemeint ist und für Ihre TeilnehmerInnen in der Form verständlich, wie Sie es für Ihre Auswertung brauchen?
Denken Sie bereits bei der Erstellung des Fragebogens an dessen Übersetzung. Bei der Einhaltung von einfachen Regeln haben Sie später weniger Probleme, die Fragen in der jeweils anderen Sprache adäquat wiederzugeben.
(Rippl & Seipel, S. 110)

„Zwölf Regeln zur Formulierung von Fragen (Rippl & Seipel 2015, S. 113) (Quelle: Brislin 1980, 1986)
  • Verwende kurze und einfache Sätze.
  • Verwende Aktiv statt Passiv.
  • Verwende Substantive und keine Pronomen, auch wenn dadurch Redundanz entsteht. Pronomen sind teilweise schwer übersetzbar.
  • Vermeide Metaphern und Umgangssprache.
  • Vermeide den Konjunktiv.
  • Verwende – wenn nötig – zusätzliche kurze Sätze, um den Kontext der Frage zu klären.
  • Vermeide Adverbien und Präpositionen.
  • Vermeide Possessivpronomen.
  • Nutze lieber genaue und spezielle Bezeichnungen, da nicht alle Kulturen in gleicher Weise kategorisieren (z. B. statt Haustier besser Hund und Katze).
  • Vermeide Worte, die Unbestimmtheit ausdrücken (z. B. vielleicht).
  • Vermeide ungewöhnliche Worte, die dem Übersetzer unbekannt sein könnten.
  • Vermeide mehrere Verben in einem Satz.“
 
Sie dürften sich mittlerweile denken können, dass wörtliche Übersetzungen nicht unbedingt äquivalente Übersetzungen sind. Geben Sie daher Ihren Fragebogen nicht einfach ohne Kontext an einen Übersetzer. Manche Fragen bzw. Items im Fragebogen sind im einen Land ein passender Indikator für eine bestimmte Einstellung, während in einem anderen Land ein anderer Indikator für diese Einstellung passend sein könnte. (Rippl & Seipel, S. 112)

Auch für die Übersetzung haben Sie idealerweise ein Team, in dem ein Muttersprachler jeder verwendeten Sprache mitarbeitet. Für eine gute Übersetzung einer der Standards ist die sogenannte TRAPD-Methode (Translation, Review, Adjudication, Pretesting, and Documentation), in der im Team parallel übersetzt, verglichen und getestet wird (Rippl & Seipel 2015, S. 116). Es gibt zwar weitere einfachere Techniken der Fragebogenübersetzung, wie beispielsweise „back translation“: ein Teammitglied übersetzt den Fragebogen und ein anderes wieder zurück. Falls die ursprüngliche und die zurückübersetzte Version konform sind, wird die Übersetzung angenommen. Dies ist jedoch relativ fehleranfällig. (Rippl & Seipel 2015, S. 116)
Lassen Sie Ihre Übersetzung auf jeden Fall testen. Mehrsprachige Tester, die den Fragebogen in allen Versionen durcharbeiten, können eine große Hilfe im Aufspüren von Unterschieden sein.

(Übersetzung in kulturvergleichenden Studien, dieser Abschnitt aus: Rippl & Seipel 2015, Kap. 6.2)

Rippl, Susanne; Seipel, Christian (2015): Methoden kulturvergleichender Sozialforschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Braun, Michael (2019): Interkulturell vergleichende Umfragen. In: Nina Baur und Jörg Blasius (Hg.): Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung, Bd. 48. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 907–918
Johnson, Timothy P.; Shavitt, Sharon; Holbrook, Allyson L. (2010): Survey Response Styles Across Cultures. In: David Matsumoto und Fons J. R. van de Vijver (Hg.): Cross-Cultural Research Methods in Psychology. Cambridge: Cambridge University Press, S. 130–176

Zuletzt geändert: 11. Mai 2021, 11:53am, [gm2466]


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