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Grundlagen der Bewertung von Leistungen, die im E-Learning erbracht werden (1/3)

Da sich viele Hochschulen noch nicht eingehend mit dem Prüfungsrecht von E-Assessment auseinandergesetzt haben, stehen lehrende Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler häufig vor dem Problem, dass es noch keine bzw. kaum bindende Regelungen gibt.
Prinzipiell spricht nichts dagegen, E-Prüfungen durchzuführen, solange gewisse Verfahrens- und Formstandards eingehalten werden, die eine sichere, gerechte und nachvollziehbare Prüfung gewährleisten und die Chancengleichheit der Prüflinge sicherstellen. Lässt die Prüfungsordnung E-Klausuren nicht ausdrücklich zu, ist davon auszugehen, dass eine Prüfung am Bildschirm jedenfalls dann unzulässig ist, wenn in der Prüfungsordnung explizit schriftliche Prüfungen vorgesehen sind (vgl. VG Hannover, Beschl. v. 10.12.2008, Az. 6 B 5583/08, Rn. 35, BeckRS 2009, 30465 In Forschungsstelle Recht im DFN 2015).

Was sind E-Prüfungen und welche Formen zählen dazu?

Der Begriff E-Prüfungen bzw. elektronische Prüfungsformen (oder auch E-Assessment) beschreibt kein einzelnes Verfahren zur Durchführung von Leistungsbeurteilungen. Er ist viel mehr als Sammelbegriff zu verstehen, der die Summe aller elektronisch gestützten Methoden und Instrumente umfasst, die zur Ermittlung des Leistungstands der Lernenden dienen können.

Zusätzlich zu den häufig angeführten E-Klausuren verbirgt sich hinter dem Sammelbegriff eine Reihe vielseitiger mediengestützter Prüfungsformen wie z.B. E-Portfolios, Scannerklausuren, Elektronische Arbeitsblätter oder auch Videoprüfungen, um nur einige zu nennen. Sie erweitern nicht nur das Spektrum der klassischen Leistungsnachweise, sondern bieten darüber hinaus – aufgrund der elektronischen Form – zusätzliche Vorteile wie (Teil-)Automatisierung von Auswertungen und Feedback, Ergebnis- und Wissenssicherung durch nachhaltige Archivierung in IT-Systemen oder auch Wiederverwendbarkeit erstellter Prüfungsmaterialien.

Neben didaktischen Aspekten spielen die Studien- und Prüfungsordnungen (StPO) und die Modulordnungen zentrale Rollen, denn in ihnen wird festgelegt, welche Prüfungsformate in den einzelnen Modulen und Lehrveranstaltungen erlaubt sind. Generell muss bei allen Prüfungsformaten – sowohl analog als auch digital – sichergestellt sein, dass sie durch die StPOs und Modulhandbücher abgedeckt sind, wenn sie der Bewertung von Studierenden dienen sollen. Dabei ist auch die Unterscheidung zwischen Studienleistungen und Prüfungsleistungen wichtig.
Da es sich bei Studienleistungen um unbenotete Beiträge handelt, die oft erst am Beginn einer Lehrveranstaltung den Studierenden mitgeteilt werden, haben Lehrende hier mehr Spielraum bei der Ausgestaltung. Prüfungsleistungen hingegen sind in den Ordnungen festgelegt und können nur sehr begrenzt oder gar nicht abgeändert werden.
Ein weiterer Aspekt ist die Bewertung von kollaborativen studentischen Werken. Wenn man beispielsweise bei einem Wiki-Artikel nur mit einigem Aufwand herausfinden kann, wer welche Beiträge geleistet hat, eignet sich eine solche Leistung nicht als Prüfungsleistung, da gemeinsame Noten von den Studierenden als ungerecht empfunden werden könnten (Sperl et. al. o.D.).
Quelle: Hamburger eL Magazin 2009, S. 23
In der Grafik oben sehen Sie verschiedene klassische (und analoge) Prüfungsformen und äquivalente Alternativen im E-Assessment.
An dieser Stelle ergibt sich die Frage nach der Bewertung von Leistungen, die im E-Learning erbracht werden. Grundsätzlich ist bei der Bewertung von Leistungen, die im E-Learning erbracht werden stets darauf zu achten, dass die Rechtssicherheit gewährleistet ist und die Prüfungsform auch immer in Einklang mit der Prüfungsordnung des jeweiligen Fachbereichs bzw. Studiengang steht. Folgende Punkte helfen Ihnen bei der Orientierung (vgl. Hamburger eL Magazin 2009: 32):

Grundsätzliche Empfehlungen bei der Bewertung von Leistungen, die im E-Learning erbracht werden:

  • Wurde darauf geachtet, dass das E-Assessment durch die Prüfungsordnung abgesichtert und prüfungskonform ist?
    • beachten Sie hier unbedingt die allgemeinen Bestimmungen, speziellen Ordnungen und Modulbeschreibungen Ihres Fachbereichs. Liegen keine konkreten Aussagen in den Schriften vor, wenden Sie sich an das zuständige Prüfungsamt.
  • Ist eine sichere Zulassung zur Prüfung gewährleistet?
    • Vergewissern Sie sich, dass eine Identitätskontrolle durch z.B. Ausweis und Matrikelnummer, PIN/TAN-Verfahren oder Systemanmeldung via Zugangskennung durchgeführt wird
  • Ist gewährleistet, dass für alle Prüflinge gleichwertige Voraussetzungen geschaffen sind?
    • Sind die Prüflinge mit dem Prüfungssystem vertraut?
    • Ist ein Ausgleich für Prüflinge mit Beeinträchtigungen gewährleistet?
  • Ist eine Verhinderung von Täuschungsversuchen gewährleistet?
    • Ist eine Prüfungsaufsicht anwesend?
    • Möglich ist der Einsatz von Browserblockern oder eine reduzierte und kontrollierte Rechnersoftware, die die Nutzung bestimmte Anwendungen blockiert
  • Ist die datenschutzkonforme und urheberrechtssichere Gestaltung der von Korrektur, Übertragung und Dokumentation der Prüfungsleistung sichergestellt?
  • Sind die technischen Rahmenbedingungen sichergestellt und funktionsfähig?
  • Ist der Ort der Prüfung definiert?
    • So können Leistungsnachweise bspw. in Computerräumen durchgeführt werden, wo die Arbeit der Prüflinge überwacht werden kann.
    • Handelt es sich um Formate wie E-Portfolios als Teilnahmenachweise, können die Leistungen auch an einem anderen Ort erbracht werden
  • Ist die Datenintegrität und Systemsicherheit während und nach der Prüfung gewährleistet?
    • Formulieren Sie klare Verhaltensregeln bei System- oder Rechnerausfällen
    • Die eindeutige Zuordnung der Prüfungsleistungen ist sicherzustellen
    • Die Prüfungen müssen an einem zugangsgesicherten Speicherort abgelegt und verwahrt werden (Sie unten "Speicherung und Archivierung").
(vgl. Aichner o.D.)
  • Ist die sichere Speicherung und Archivierung der Leistungsnachweise und Ergebnisse gesichert?
Selbst in dem Fall, dass eine Hochschule keine speziellen Vorschriften zur Aufbewahrung von Prüfungsarbeiten erlassen hat, besteht eine Pflicht zur Archivierung, die sich aus dem Grundrecht auf Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und dem in Art. 19 Abs. 44 GG gewährleisteten Anspruch auf effektiven Rechtsschutz ergibt. Demnach muss die Prüfungsbehörde die Prüfung und die Grundlage ihrer Bewertung so dokumentieren, dass der Prüfungsteilnehmer kontrollieren kann, ob der Prüfer bei seiner Bewertung von der tatsächlichen Bewertungsgrundlage ausgegangen ist. Für den Prüfungsteilnehmer muss nachvollziehbar sein, ob der Prüfer in fachwissenschaftlicher Hinsicht zutreffende Entscheidungen und vertretbare Lösungen nicht als falsch bewertet und keine willkürlichen Entscheidungen getroffen hat (E-Assessment NRW 2017: 8).
Die Zuständigkeiten für die Archivierung von Prüfungsdokumenten gehen in der Regel aus den Prüfungsordnungen der Fachbereiche hervor. Sofern es keine weiteren Regelungen für elektronische Prüfungen gibt, sollte in der Prüfungsordnung zumindest festgelegt sein, dass die Anforderungen an die Archivierung schriftlicher Prüfungen ebenfalls für elektronische Prüfungen gelten (E-Assessment NRW 2017: 8).
Die Prüfungsergebnisse können entweder als Ausdruck in einer Akte oder in elektronischer Form archiviert werden. Die elektronische Speicherung setzt jedoch eine laufende Pflege und Aktualisierung der Technik voraus, die für die Archivierung eingesetzt wird. Außerdem müssen in diesem Fall die Authentizität und die Integrität der Prüfungsunterlagen sichergestellt werden (Kalberg 2009 in E-Assessment NRW 2017: 9).
Ist die Dauer der Speicherung in der Prüfungsordnung geregelt, muss sie zwingend eingehalten werden. Soweit Aufbewahrungsfristen spezialgesetzlich geregelt sind, ist für Prüfungsarbeiten häufig eine Aufbewahrungsfrist von fünf Jahren vorgesehen. Sofern die Bewertung einer Prüfungsarbeit Gegenstand eines Rechtsstreits war, ist eine Aufbewahrungsfrist von zehn Jahren üblich.
Existiert keine Regelung, müssen die Dokumente so lange archiviert bleiben, bis die Prüfungsentscheidung bestandskräftig ist. In Einzelfällen kann dies sogar bis zum Abschluss des Studiums sein, da sich die Note in einigen Studiengängen aus einzelnen Modulprüfungsnoten zusammensetzt. Nachdem die Akte ihren Zweck erfüllt hat, besteht eine Löschpflicht (Forgó et al. 2016 In E-Assessment NRW 2017: 9).


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