Funktionen

Praktische Umsetzung einer digitalen Selbstlerneinheit

Bei der Planung einer digitalen Selbstlerneinheit ist vor allem eines entscheidend: Eine begründete Auswahl aus der Vielzahl der Möglichkeiten zu treffen und zu entscheiden, wie die Lernziele mit der digitalen Selbstlerneinheit am besten erreicht und das Lernen der Studierenden am besten unterstützt werden kann.
Um diese Entscheidungen begründet zu treffen, ist es notwendig, sich vorab über folgende Aspekte Gedanken zu machen[1]:
  • Was sind Probleme und Bedarfe, die durch die digitale Selbstlernheit adressiert werden und wie ist der Einsatzkontext (siehe auch Kapitel I. Didaktische Funktionen digitaler Selbstlerneinheiten)?
  • Welche Lehrziele bzw. angestrebten Kompetenzen sollen mit der digitalen Selbstlerneinheit vermittelt/erarbeitet werden (siehe auch Kapitel II. Intendierte Lernergebnisse)?
  • An welche Zielgruppe richtet sich die Selbstlerneinheit und welche Eigenschaften zeichnen die Lernenden aus (u. a. Vorwissen, Studienphase, Studiengang)?
  • Welche Merkmale weist der Lehrstoff selbst auf (Wissens- und Aufgabenanalysen)?
  • Welche Ressourcen (u. a. Budget, zu erwartende Kosten, Zeit) sind zur Erstellung der Selbstlerneinheit nötig und vorhanden?
Die eigentlichen Entscheidungen betreffen verschiedene Felder (siehe Niegemann 2020, S. 122ff.):
  • Welche Inhalte sollen die Studierenden unbedingt lernen? Was sind Muss-Inhalte (obligatorischer Inhalt), Soll-Inhalte (Vertiefungswissen), Kann-Inhalte (Zusatzwissen)?
  • Sind alle Inhalte für alle Lernenden gleich wichtig? Welche Inhalte sind ggf. nur für eine Teilgruppe von Lernenden wichtig?
  • Soll es für unterschiedliche Zielgruppen (z.B. Bachelor- vs. Lehramtsstudierende) dieselben oder unterschiedliche Beispiele geben?
  • Wie soll die Selbstlerneinheit strukturiert sein? Soll es einen linearen/sequenziellen Aufbau geben? Sollen Einheiten modular bearbeitbar sein? 
  • Wie gehe ich bei der Präsentation der Inhalte vor? Deduktiv oder induktiv? Vom Allgemeinen zum Besonderen? Vom Beispiel zur Regel? Vom Problem zur Lösung - oder umgekehrt?
  • Soll es flexible Lernwege geben oder soll jede:r dieselben Inhalte in derselben Reihenfolge bearbeiten?
  • Will ich Vorbedingungen für einzelne Kapitel definieren? Oder eine zeitliche Steuerung?
  • Wie sollen Lernende navigieren können? Über ein Inhaltsverzeichnis? Plus/oder durch Querverlinkungen?
  • Wie "komponiere" ich die einzelnen Themenblöcke. um das Lernen der Studierenden bestmöglich zu fördern und zu unterstützen ?
    • Was nutze ich, um Neugier/Interesse zu wecken?
    • Wie aktiviere ich das Vorwissen?
    • Über welche Medien und in welcher Form können sich Lernende neues Wissen erarbeiten?
    • Wie können sie selbst danach ihren Lernerfolg kontrollieren?
  • Wie setze ich das Sandwich-Prinzip aus Aktivierung - Input - Aktivierung im Lernmodul um? Welche Arten der Aktivierung kann ich an welcher Stelle verwenden?
  • Wie sorge ich dafür, dass Studierende effektive Lernstrategien einsetzen? Wieviele Hilfestellungen und Hinweise zum Lernen selbst sind nötig?
  • Soll es Kommunikations- oder Kommentierungsfunktionen für Lernende geben?
  • Wie können Lernende Verständnisprobleme oder offene Fragen zum Lernmodul klären?
  • Was soll als Text präsentiert werden? Was als Video? Wo braucht es ein (interaktives) Bild (mit Content-Popups oder Overlay-Grafiken)? Wo eine Animation? Wo eine Datei zum Download?
  • Welche ILIAS-Objekte benötige ich bzw. will ich nutzen? ILIAS-Lernmodul? Test? Glossar? Umfrage? Forum? Interaktives Video? Übung? Datei? E-Portfolio?
  • Was ist die oberste Ebene meiner digitalen Selbstlerneinheit? Der ILIAS-Kurs? Das ILIAS-Lernmodul?
  • Wie komponiere ich die Elemente der Seite?
  • Wo verwende ich Akkordeons, wo Spalten?
  • Welche Blöcke nutze ich um Inhalte zu präsentieren? Welche um Reflexionsfragen zu platzieren?
  • Wie differenziere ich Muss-, Soll- und Kann-Inhalte optisch?
In Niegemann (2020, S. 122ff.) werden neben den fünf hier genannten Feldern noch fünf weitere Felder genannt:
  1. Format
  2. Technische Bedingungen 
  3. Motivationsdesign
  4. Zeitstrukturierung
  5. Implementation

Strukturierung der Inhalte und Interaktionen

Planen Sie die Struktur und die Inhalte Ihres Lernmoduls gründlich, bevor Sie mit der Erstellung des Lernmoduls beginnen:
  • Inhalte:
    • Treffen Sie (auf Basis der Lernziele, Lerngruppe und Rahmenbedingungen wie dem zumutbaren Workload) eine Unterscheidung in Muss-, Soll-, Kann-Inhalte.
    • Bereiten Sie zunächst die Muss-Inhalte vor.
    • Entscheiden Sie, wie Sie die Inhalte im Hinblick auf die Erreichung der Lernziele am besten strukturieren können (problembasiert, fallbasiert, thematisch gegliedert, prozessorientiert o.a.).
    • Überlegen Sie sich, welche Inhalte in welcher medialen Form umgesetzt werden (z.B. Video, Text/Skript, animierte Grafik).
  • Interaktionen:
    • Überlegen Sie sich, wie Sie Interaktionen bzw. Aktivierungen gestalten können - und an welchen Stellen des Lernmoduls welche Arten von aktiven Verarbeitungsanlässen sinnvoll sind. 
    • Formulieren Sie Reflexionsaufgaben (z.B. für ein ILIAS-Portfolio), Quizzes (zur Aktivierung von Vorwissen oder zur Selbstkontrolle des Lernerfolgs), Anwendungs-/Vertiefungsaufgaben (die z.B. in Übungen außerhalb des ILIAS-Lernmoduls eingereicht werden) oder überlegen Sie sich Diskussionsfragen, die in einem Forum oder im Kommentarfeld des Lernmoduls beantwortet werden sollen.

Tipp

Nutzen Sie vorhandene OER-Ressourcen und binden Sie diese in Ihre eigene Selbstlerneinheit ein.
In der Übersicht OER-Verzeichnisse und -Services finden Sie
  • Suchdienste, mit denen Sie gezielt OER-Materialien finden können.
  • Materialsammlungen, die OER für verschiedene Bildungsbereiche und Fächer anbieten
  • Dienste, die OER-Aktivitäten bündeln und verbreiten

Mediale Umsetzung der Inhalte

Bereiten Sie die verschiedenen Typen digitaler Medien vor:
  • Texte:
    • Beachten Sie beim Schreiben Ihres Text-Skripts, ob Inhalte sequenziell oder modular bearbeitbar sind. Modular bearbeitbare Einheiten sollten in sich geschlossen und verständlich sein.
    • Nutzen Sie insbesondere in den Teilen, in denen Lernende aktiviert werden sollen, die direkte Anrede.
  •  Videos:
    • Recherchieren Sie, ob sich vorhandene Videos, Grafiken, Bilder o.a. für Ihre digitale Selbstlerneinheit eignen - und prüfen Sie, ob Sie diese z.B. als OER-Ressourcen selbst nutzen dürfen.
    • Tipp: Sie können sämtliche YouTube-Videos direkt in ILIAS einbetten (per URL) - das Video wird dabei nicht heruntergeladen, sondern liegt weiterhin auf YouTube - es wird aber trotzdem innerhalb Ihres Lernmoduls angezeigt und abgespielt.
    • Falls es keine passenden Videos oder Grafiken gibt: Erstellen Sie diese selbst. Tipp: Das HRZ unterstützt Sie gerne bei der Videoproduktion, z.B. im Selbstaufzeichnungs-Studio des HRZ oder auch als Lernvideo mit dem iPad.
    • Noch ein Tipp zum Thema "Video": Sie können alle Videos als interaktives Video in ILIAS anlegen und dann selbst Reflexions- oder Wissensfragen innerhalb des Videos einblenden lassen (das geht sowohl mit eigenen, als auch mit YouTube-Videos).
  • Bilder/Fotos/Grafiken:
    • Auch passende Bilder oder Grafiken können, sobald der Inhalt und die Struktur stehen, vorab gesucht oder erstellt werden.
    • Tipp: Über Pixabay finden Sie viele kostenlose Bilder, die Sie über die Pixabay-Lizenz frei und ohne Namens-/Quellennennung nutzen dürfen.
  • Audio/Podcasts:
    • Zur Erklärung einer Grafik oder eines Sachverhalts ist nicht immer ein Video nötig. Manchmal reicht hierzu auch ein kurzer Audioschnipsel oder ein kurzer Podcast.

Hintergrund

Die visuelle Gestaltung spielt eine wichtige Rolle für die emotionale Bewertung der Attraktivität der digitalen Selbstlerneinheit bzw. Lernumgebung. Auch die Benutzerfreundlichkeit (technisch einfache Nutzung, klare Navigation, übersichtlicher Aufbau/Strukturierung der gesamten Selbstlerneinheit sowie der einzelnen Seiten) beeinflusst die Emotionen der Lernenden.[2] 
Da positive Emotionen dazu beitragen können, dass Lernende intrinsisch motiviert an Aufgaben herantreten und sich intensiv mit Inhalten beschäftigen, können durch positive emotionale Bewertungen auch lernförderliche Effekte ausgelöst werden.[3]
Es lohnt sich also, Zeit in das Layout und Design zu stecken, um die digitale Selbstlerneinheit visuell ansprechend und übersichtlich zu gestalten.

Erstellung des ILIAS-Lernmoduls

Layout-Vorlagen konzipieren

Entwickeln Sie  Layout-Vorlagen für Ihr Lernmodul bzw. legen Sie fest, welchen Aufbau Ihre Seiten haben sollen, welche visuellen Elemente für ein Corporate Design sorgen - und vor allem, wie Sie dafür sorgen können, dass Lernende sich gut orientieren und wichtige Inhalte (Muss, Soll) von weniger wichtigen Inhalten (Kann) differenzieren können. Darüber hinaus sollten Sie sich überlegen, welche didaktischen Elemente am Anfang eines Kapitels vorkommen sollen (z.B. Lernziele, Bearbeitungszeit, Inhalte und Aufgaben im Kapitel), mit welchen Elementen Sie in den Kapiteln arbeiten wollen (z.B. Videos, Texte, Podcasts, Grafiken) und welche am Ende eines Kapitels (z.B. Zusammenfassung, Quiz zur Überprüfung, ob die Lernziele erreicht wurden).
Für ein einheitliches Layout eignet sich in ILIAS insbesondere die konsistente Nutzung verschiedener Typen von Blöcken sowie ein einheitliches Design der Seite.

Gestaltung von Seiten im Lernmodul mit Hilfe von ...

  • Blöcken
  • Spaltenlayout
  • Akkordeonfächern
  • Möglichkeiten des Seiteneditors (z. B. Überschriften, fett, unterstrichen, Listen, farbliche Hervorhebungen)
Direkt auf Seiten bestehen folgende Möglichkeiten
  • Text mit verschiedenen Formatierungen
  • verschiedene Arten von Layout-Blöcken
  • Bilder/interaktive Bilder
  • Videos/interaktive Videos/E-Lectures
  • Audiodateien/Podcasts
  • Dateien
  • Links
  • automatisch auswertbare Fragen
  • Tabellen  
  • Mindmap
  • Programmcode
Inhalte und Objekte, auf die verlinkt werden kann:
  • Seite des Lernmoduls
  • Kapitel/Unterkapitel des Lernmoduls
  • Glossarbegriff
  • Medienobjekt
  • Wiki-Seite
  • Datei/Dokument
  • Objekt im Magazin (z.B. Übung, Test, Umfrage, Forum)

Gestaltung von adaptiven Lernwegen im Lernmodul

Mit Hilfe von Vorbedingungen können Sie adaptive Lernwege im Lernmodul umsetzen, so dass Lernende, die bereits über ein entsprechendes Vorwissen verfügen, einzelne Kapitel im Lernmodul überspringen können - oder Lernende unterschiedliche Kapitel gezeigt bekommen, je nach ihren Interessen oder je nach Studienbereich.
  1. Folgende Objekte können als Vorbedingungen genutzt werden (Hinweis: Bevor Sie die Vorbedingung als Regel einrichten, muss das Objekt, das Sie für die Vorbedingung nutzen, erstellt worden sein): 
    • Test: "bestanden", "beendet", "nicht beendet"
    • Umfrage: "beendet"
    • Übung: "bestanden"
  2. Festlegung von Vorbedingungen im Lernmodul:
    1. Gehen Sie im Bearbeitungsmodus eines Kapitels zum Reiter "Vorbedingungen"; wählen Sie hier "Neue Vorbedingung erstellen" und wählen Sie dann das Objekt, das Sie für die Vorbedingung nutzen wollen; richtigen Sie dann die entsprechende Regel ein (Hinweis: Bis die Bedingungen erfüllt sind, erscheint im Lernmodul ein Deckblatt mit der Bedingung mit einem Link zum Objekt, das für die Vorbedingung genutzt wird (z.B. ein Test)).

[1] vgl. Niegemann, Helmut: Instructional Design. In: Niegemann, Helmut & Armin Weinberger: Handbuch Bildungstechnologie. Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen. Teil II:  Modelle des Instruktionsdesigns zur Konzeption und Gestaltung technologieunterstützter Lernumgebungen. Springer: Berlin 2020, S. 113.
[2] vgl. Loderer, Kristina, Reinhard Pekrun und Anne C. Frenzel: Emotionen beim technologiebasierten Lernen. In: Niegemann, Helmut & Armin Weinberger: Handbuch Bildungstechnologie. Konzeption und Einsatz digitaler Lernumgebungen, Springer: Berlin 2020, S. 428.
[3] ebd., S. 425ff.


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