Forschendes Lernen

Beschreibung

Abb. 1: Forschendes Lernen (Quelle: modifiziert nach Brahm o.J.; DKJS o.J.; Gotzen/Beyerlin/Gels 2015)
Abb. 1: Forschendes Lernen (Quelle: modifiziert nach Brahm o.J.; DKJS o.J.; Gotzen/Beyerlin/Gels 2015)

Forschendes Lernen ist ein didaktisches Konzept, bei dem die beiden zentralen Handlungsfelder einer Hochschule "Forschung" und "Lehre" bzw. "Lernen" verbunden werden. Forschendes Lernen ist in allen Fachdisziplinen möglich und kann überall stattfinden, z.B. im Museum oder in der U-Bahn. Auch fächerübergreifendes Denken und Arbeiten wird gefördert. Da vielfältige Zugänge und Lernwege möglich sind, kann Forschendes Lernen auch genutzt werden, um der Diversität der Lernenden gerecht zu werden.
Wesentliche Elemente des Forschenden Lernens sind die einzelnen Phasen des Forschungsprozesses, wie das Entwickeln von relevanten Fragestellungen und Hypothesen, die Wahl eines geeigneten Untersuchungsdesigns und von Untersuchungsmethoden, die praktische Durchführung der Untersuchung(en) und das Erheben der Daten, weiterhin das Analysieren, Aufbereiten und Interpretieren der Daten und letztendlich die Reflexion über den Gesamtprozess und die Aussagekraft und Tragweite der Untersuchung insgesamt. Auch eine aussagekräftige Präsentation der Untersuchung und der Ergebnisse gehört zum Forschungsprozess (siehe auch Abb. 1).
Alle für einen Forschungsprozess bzw. seine einzelnen Bestandteile erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten müssen den Studierenden im Vorfeld bzw. im Verlauf vermittelt werden bzw. es muss gewährleistet werden, dass die Studierenden sich diese im Verlauf aneignen können. Die Lehrperson sollte dabei stets als Beratungsinstanz zur Verfügung stehen.
Durch den aktiven Einbezug der Studierenden in den Prozess und die Verknüpfung von Theorie und Praxis im Rahmen des Forschungsprojektes wird der Lernstoff und die dahinterstehenden Theorien für die Studierenden "erfahrbar". Dies steigt nachweislich das Verstehen und Behalten und auch die Motivation der Studierenden.
Zudem erhalten die Lernenden aktuelle Einblicke in Forschungsthemen und -ergebnisse in ihrem Fach und bekommen Lerngelegenheiten, um Handlungskompetenz in variablen, komplexen und nicht vorhersehbaren Situationen zu stärken. Indem gewohnte Lernpfade verlassen werden, wird ferner die Selbstständigkeit sowie das nachhaltige Lernen gefördert. Lernen ist bei dem Konzept nicht als Wissensanhäufung zu verstehen, sondern als ein ergebnisoffener und dynamischer Prozess.

Durchführung

Der Forschungsprozess besteht aus mehreren Phasen (siehe Abb.1), die miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen können. Daher handelt es sich nicht um ein starres, sondern um ein dynamisches Gerüst.
Dozierende nehmen im Prozess die Rolle von Lernbegleitern ein, d.h. sie geben Impulse statt Antworten und unterstützen die Forschenden ab und an, wenn diese in einer Sackgasse stecken. Da ein Ergebnis des Forschungsprozesses meist nicht vorhersehbar ist, müssen alle Beteiligten diese "Unsicherheit" aushalten können. Die Flexibilität und Offenheit des Forschenden Lernens ist allerdings keineswegs unstrukturiert - Lernbegleiter definieren vorab:
- Regeln - wie z.B. den Zeitrahmen oder die Lernorte
- Bewertungen - was wird wie bewertet
- Einzel- oder Teamarbeit
- Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern
- Dokumentation - wie sollen die Prozesse und Ergebnisse festgehalten werden, welchen Zweck sollen sie erfüllen

Herausforderungen im Forschungsprozess für die Lehrperson
  1. Themenfindung/ Kernfragestellung entwickeln: Oftmals gestaltet sich dies für Studierende schwieriger, als sich Lehrende vorstellen können. Studierende müssen häufig auf "Lücken" im Thema oder im Forschungsstand hingewiesen werden. Hierzu eignen sich direkte Impulse durch den Lehrenden oder eine aktive Auseinandersetzung der Studierenden mit vorbereitetem Material wie z.B. Texten.
  2. Formulierung von Fragestellungen und Forschungshypothesen: Meist müssen die Fragestellungen konkretisiert werden, um die Möglichkeit zu bieten, hierzu geeignete Hypothesen  generieren zu können und auch in Untersuchungen zugänglich zu sein. Ein Experte oder die Lehrperson sollten beratend zur Seite stehen.
  3. Entwurf eines Forschungsdesigns: Dies stellt eine große Herausforderung dar, gerade wenn den Studierenden die Palette an Möglichkeiten nicht bekannt ist. Abhilfe können zur Verfügung gestellte Textmaterialien und/oder ein wissenschaftliches Kolloquium zur gemeinsamen Beratschlagung schaffen.
  4. Durchführung der Untersuchung: In dieser Phase sollte sich die Lehrperson zurückhalten und den Forschungsprozess in die Verantwortung der Studierenden geben.
  5. Dokumentation, Auswertung, Interpretation und Reflexion: Lehrende sollten ihre Erwartungen bezüglich einer guten Auswertung vergegenwärtigen und mit den realistischen Möglichkeiten der Studierenden abgleichen. Wesentlicher Bestandteil ist in jedem Fall eine abschließende Reflexion über die Aussagekraft der Ergebnisse und ihre Bedeutung für die zugrunde liegende Fragestellung und die Verortung im jeweiligen Fachdiskurs.
  6. Präsentation und Diskussion: Dieser Teil gehört nicht im engeren Sinne zum Forschungsprozess dazu. Allerdings gehört in der wissenschaftlichen Forschung der Fachdiskurs und das Präsentieren von Studien auf Tagungen und Veröffentlichen in Fachzeitschriften zum Prozess der Erkenntnisgewinnung im Rahmen der eigenen Fachkommunity dazu. Studierende auch mit diesem Aspekt zu konfrontieren erscheint vor diesem Hintergrund sinnvoll.
Darauf sollte weiterhin geachtet werden:
  • Allgemein empfiehlt es sich die Studierenden durch ein Beratungs- und Feedbackangebot zu begleiten. Denn gerade zu Beginn des Konzepts sind die Studierenden durch die vielfältigen Lerngelegenheiten und das eigenständige Handeln oftmals überfordert.
  • Forschendes Lernen ist im Vergleich zu anderen Veranstaltungsangeboten mit erhöhtem Arbeitsaufwand für die Studierenden verbunden, der zunächst abschreckend wirken kann. Lehrende können dem entgegenwirken, indem die Studierenden das Thema mitbestimmen dürfen. Auch ein Beratungs- und Feedbackangebot sowie die Bereitstellung nötiger Ressourcen fördern die intrinsische Motivation.
  • Zum Kern der Forschung gehört Ergebnisoffenheit. Eine Prüfung kann sich dementsprechend nicht auf die Abfrage von voher bestimmten Inhalten beziehen. Um die Studierenden bewerten zu können eignen sich z.B. wissenschaftliche Poster, eine Präsentation oder Fachdiskussion, ein Paper oder eine Versuchsdemonstration. Soll der Prozess des Lernens stärker fokussiert werden ist ein Lernportfolio oder eine mündliche Prüfung empfehlenswert, welche die Reflexion in den Mittelpunkt stellt.
Variationen des Forschenen Lernens:
Nicht immer ist es möglich oder sinnvoll, die Studierenden den gesamten Forschungsprozes im Rahmen eines eigenen Forschungsprojektes aktiv durchlaufen zu lassen. Auch das Üben von einzelnen Schritten kann als niederschwellige Form des Forschenden Lernens betrachtet werden und führt zu der weiter oben beschriebenen Steigerung der Motivation und Lernleistung. Eine weitere Variationsmöglichkeit und gleichzeitig eine gute Vorübung für einen eigenständigen Forschungsprozess besteht im Analysieren von ausgewählten, bereits abgeschlossenen Studien auf den ihnen zugrunde liegenen Forschungsprozes. So kann z.B. die Wahl der verwendeten Untersuchtungsmethoden oder der Eignung des Untersuchungsdesigns als Ganzes betrachtet und diskutiert werden. Möglich ist z.B. aber auch die Analyse und Diskussion der Aussagekraft der in der Studie erzielten Forschungsergebnisse. 

 

Erfahrungsberichte

Geeignete Veranstaltungstypen

Forschendes Lernen kann in einer kurzzeitigen Sequenz eingesetzt werden, als methodisches Prinzip ein komplettes Modul bestimmen oder als grundlegendes Studiengangsprinzip fungieren. Je nach gewählter Form unterscheidet sich die Anzahl an Studierenden.

Ressourcen

Die benötigten Ressourcen richten sich nach den Forschungsprojekten und können sehr unterschiedlich sein. Zu beachten ist, dass die Methode Forschendes Lernen meist mehr Zeit in Anspruch nimmt als eine Moduleinheit.

 

Quellen

Links zu weiteren Informationen