Wiki "KI in der Hochschullehre"
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25. OAG-Treffen 23.09.2025
Datum: 23. September 2025, 9:00 - 10:30 Uhr
Protokollführung: Sebastian Busse (unterstützt durch ChatGPT-4o, https://www.openai.com/)
Teilnehmende: Bennet Rosswag, Christian Uhl, Duc, Grazia Caiati, Holger Repp, Johannes Groos, Joss von Hadeln, Juhi, Maja Bärenfänger, Marc Schetelig, Marie Anna Fuchs, Nadine Ackermann, Nicole Immig, Sebastian Schaper, Sebastian Busse, Tanja Trzeciak
1. KI-Integration in ILIAS an der JLU
An der JLU startet im Wintersemester 2024/25 eine umfangreiche Pilotphase zur Integration von KI-Assistenten in die Lernplattform ILIAS. Nach einer universitätsweiten Rundmail haben sich etwa 30 Lehrende aus allen Fachbereichen und Zentren zur Teilnahme gemeldet, was auf großes Interesse an der praktischen Erprobung hindeutet. Das eingesetzte Plugin nutzt lokale Sprachmodelle der Universität und soll perspektivisch auch weitere Modelle integrieren. Die Funktionalität umfasst verschiedene Assistenten, die beispielsweise automatisch Fragen aus Lernmodulen generieren, Inhalte übersetzen oder Lernmodule auf Basis von Stichworten befüllen können. Besonders hervorzuheben ist die enge Integration mit ILIAS-Objekten, wobei die Assistenten als beliebige Seitenelemente positioniert werden können. Für Studierende steht ein kontextgesteuerter KI-Chatbot zur Verfügung, dessen Interaktionsmöglichkeiten durch vom Lehrenden vordefinierte Prompts gesteuert werden. Dies ermöglicht sehr spezifische didaktische Szenarien, etwa die Beantwortung von Fragen zu Prüfungsformaten oder zum Kursablauf auf Basis hochgeladener Dokumente. Die Pilotphase läuft bis März 2026 und wird durch systematische Befragungen sowohl der Lehrenden als auch der Studierenden begleitet, um die Nützlichkeit dieser Integration zu evaluieren. Die Entwicklung befindet sich noch in der Beta-Phase, wobei insbesondere an einer umfassenderen Kontextintegration gearbeitet wird, die es ermöglichen soll, beliebige ILIAS-Objekte als Wissensbasis zu nutzen.
2. Studierendenbeteiligung und Kommunikationsstrukturen
Die Frage der systematischen Einbindung Studierender in KI-Entwicklungsprozesse nahm breiten Raum in der Diskussion ein. Mehrere Teilnehmende betonten, dass Studierende nicht nur als Zielgruppe, sondern als aktive Gestalter verstanden werden sollten, wie es auch im Leitbild Lehre der Universität verankert ist. Gleichzeitig wurde deutlich, dass trotz bestehender Angebote wie der OAG selbst viele Studierende Hemmschwellen haben, diese wahrzunehmen. Rückmeldungen aus dem Kreis der Teilnehmenden zeigten, dass Studierende sich teilweise nicht als erwünscht oder richtig empfinden, wenn sie an gemischten Formaten teilnehmen. Es wurde angeregt, verstärkt mit Fachschaften zusammenzuarbeiten und möglicherweise studentische KI-Arbeitsgruppen zu initiieren, die dann mit bestehenden Strukturen vernetzt werden könnten. Ein grundlegendes Problem liegt in der Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von Angeboten. Selbst engagierte Personen haben Schwierigkeiten, Informationen über bestehende Initiativen zu finden, da diese oft dezentral auf Institutswebseiten verstreut und nicht aktuell gehalten werden. Der Wunsch nach einer zentralen Übersichtsseite für KI-bezogene Aktivitäten wurde mehrfach geäußert. Zudem wurde diskutiert, dass verschiedene Statusgruppen unterschiedliche Bedarfe haben und statusgruppenspezifische Angebote durchaus ihre Berechtigung haben, da Lehrende teilweise Bedenken haben, sich vor Studierenden als unwissend zu zeigen. Das AI Summer Camp 2025 wurde jedoch als positives Gegenbeispiel genannt, bei dem der hierarchiefreie Austausch sehr gut funktioniert habe.
3. Rückblick auf das AI Summer Camp 2025
Das vom 8. bis 24. September 2025 durchgeführte AI Summer Camp 2025 übertraf mit 130 individuellen Anmeldungen die Erwartungen deutlich, wobei für die beiden Intensivkurse jeweils 25 Teilnehmende zugelassen wurden. Die Basic-Woche vom 8. bis 12. September fokussierte auf grundlegendes Prompt Engineering mit Claude von Anthropic und wurde vom Gastdozenten Brian Ballsun-Stanton von der Macquarie University Sydney (Australien) geleitet. Besonders geschätzt wurde dessen strukturierter und konsequenter Ansatz, der auch erfahrenen KI-Nutzenden neue Grundlagen vermittelte. Die Mischung aus allen Statusgruppen, von Studierenden bis zu Professoren, funktionierte ausgezeichnet und ermöglichte einen barrierefreien Austausch auf Augenhöhe. Die komplette Basic-Woche wurde aufgezeichnet und soll in bearbeiteter Form, möglicherweise mit deutscher Synchronisation, als Online-Ressource zur Verfügung gestellt werden. Das Rahmenprogramm umfasste unter anderem einen Eröffnungsvortrag mit australischer Perspektive, ebenfalls von Brian Ballsun-Stanton, auf KI in der Hochschule sowie einen Gastvortrag zum Thema KI und Urheberrecht von der Kanzlei JUN Legal aus Würzburg. Die Teilnehmenden äußerten großes Interesse an Vernetzung und Folgetreffen. Allerdings wurde auch deutlich, dass organisatorische Herausforderungen zu bewältigen waren, insbesondere bezüglich der technischen Infrastruktur. Die Erfahrungen aus dem Summer Camp sollen nun in nachhaltige Formate überführt werden, wobei eine Wiederholung für September 2026 in ähnlichem Rahmen angedacht ist.
4. Herausforderungen in den Fachbereichen
Aus verschiedenen Fachbereichen wurden unterschiedliche Erfahrungen und Herausforderungen berichtet. Der Fachbereich 09 (Agrarwissenschaften, Ökotrophologie und Umweltmanagement) hat durch eine informelle Umfrage unter Masterstudierenden festgestellt, dass etwa zwei Drittel KI in ihren Abschlussarbeiten genutzt haben. Lehrende berichten zunehmend von Unsicherheit bei der Bewertung schriftlicher Arbeiten, da die Einschätzbarkeit der tatsächlichen Leistung schwieriger wird. Als Reaktion plant der Fachbereich für November 2025 einen Workshop, bei dem Lehrende sich über Praxisbeispiele austauschen und möglicherweise eine Arbeitsgruppe zur Entwicklung fachbereichsspezifischer Lösungen gründen sollen. Diskutiert werden unter anderem eine stärkere Gewichtung mündlicher Verteidigungen und neue Formate für Abschlussarbeiten, eventuell mit Teilen, die in geschlossenen Systemen erstellt werden. Der Fachbereich 04 (Geschichts- und Kulturwissenschaften) berichtete von großer Unsicherheit und fehlendem Austausch zwischen den Instituten. Für Geisteswissenschaften, in denen Hausarbeiten zentrale Prüfungsformen darstellen, stellt der KI-Einsatz eine besondere Herausforderung dar. Das Historische Institut plant eine Vortragsreihe zu Digital History, fühlt sich aber in der Breite noch nicht ausreichend aufgestellt. Es wurde deutlich, dass der Wunsch nach Unterstützung groß ist, gleichzeitig aber auch Vorbehalte bestehen, an gemischten Schulungsformaten teilzunehmen. Mehrfach wurde betont, dass einheitliche Regelungen für alle Fachbereiche nicht zielführend sind, da die Anforderungen und Arbeitsweisen zu unterschiedlich sind.
5. Neue Tools und technische Entwicklungen
Im Rahmen des Austauschs wurden verschiedene neue Tools und Entwicklungen vorgestellt. Besonders hervorgehoben wurde OpenAI Codex, ein Tool zur Code-Generierung, das überraschenderweise auch umfangreiche Funktionen zur Analyse von PDFs und Dokumenten mitbringt. Nach lokaler Installation kann es eigenständig Datenbestände durchsuchen, analysieren und sortieren, was für die Literaturverwaltung und -recherche sehr hilfreich sein kann. Ein Teilnehmer berichtet aus der Universität Leipzig von einer neu geschlossenen Kooperation mit der GWDG (Gesellschaft für wissenschaftliche Datenverarbeitung Göttingen), die es Lehrenden ermöglicht, deren KI-Dienste zu nutzen. Allerdings wurde auch deutlich, dass solche Kooperationen erheblichen Aufwand im Bereich Datenschutz und Datenverarbeitungsverträge erfordern. Ein interessanter Aspekt der Diskussion war die Feststellung, dass an der Universität erhebliche Hardware-Ressourcen, insbesondere Grafikkarten im Millionenwert, in einzelnen Arbeitsgruppen vorhanden sind, aber oft nur minimal genutzt werden. Als möglicher Lösungsansatz wurde das Leipziger Modell der Core Units diskutiert, bei dem sich Arbeitsgruppen zusammenschließen, um Ressourcen gemeinsam zu nutzen und gegenseitig Zugang zu gewähren.
6. Strukturelle Rahmenbedingungen und Unterstützungsangebote
Die Diskussion machte deutlich, dass neben technischen auch strukturelle und finanzielle Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle spielen. Es wurde konstruktiv angemerkt, dass die universitäre Infrastruktur noch nicht überall auf die Anforderungen digitaler Lehre ausgerichtet ist. Beispielsweise fehlen in manchen Seminarräumen, auch in Neubauten, ausreichend Steckdosen für die Arbeit mit Notebooks. Auch der Zugang zu Netzwerkressourcen und die Beschaffung von Lizenzen für neue Tools erweisen sich manchmal als komplizierter als nötig. Hier wurde signalisiert, dass die Erfahrungen aus dem Summer Camp genutzt werden, um Verbesserungen anzustoßen. Gleichzeitig wurde auf bestehende Unterstützungsangebote hingewiesen. Das Hochschuldidaktische Netzwerk Mittelhessen (HDM) bietet regelmäßig Workshops zu KI in der Lehre an, und es gibt Fördermöglichkeiten wie den Förderpreis für die Durchführung KI-gestützter Lehr-/Lernszenarien an der JLU mit Projektförderungen bis zu 50.000 Euro. Die Personalentwicklung bietet spezielle Workshops für administrative Mitarbeitende an. Es wurde betont, dass die Herausforderung weniger im völligen Fehlen von Angeboten liegt, sondern vielmehr in deren Sichtbarkeit, Vernetzung und der Schaffung niedrigschwelliger Zugangswege. Ein wichtiger Konsens war, dass Bottom-up-Experimente und -Initiativen durch Top-down-Unterstützung flankiert werden müssen und dass das Teilen und Sichtbarmachen bereits vorhandener Expertise mindestens ebenso wichtig ist wie die Schaffung neuer Strukturen.
7. Ausblick
Aus der Diskussion ergaben sich verschiedene Anregungen, die die Teilnehmenden in ihre jeweiligen Bereiche mitnehmen können. Die Aufbereitung der Summer Camp-Materialien, insbesondere der Videoaufzeichnungen, wird als wichtige Ressource für die breitere Nutzung angestrebt, wobei noch Lösungen für die erforderlichen Ressourcen gefunden werden müssen. Ein Newsletter an alle Summer Camp-Teilnehmenden mit Materialsammlung und Hinweisen auf Folgeangebote ist geplant. Der Fachbereich 09 wird im November einen Workshop zu KI und Abschlussarbeiten durchführen. Die Demonstration von Tools wie Codex in künftigen OAG-Sitzungen wurde angeregt. Die Kontaktaufnahme mit Fachschaften zur Gründung studentischer KI-Arbeitsgruppen wurde als möglicher Weg zur besseren Einbindung Studierender diskutiert. Die OAG wird künftig monatlich am vierten Dienstag von 9:00 bis 10:30 Uhr tagen, um einen verlässlichen Rhythmus zu etablieren. Die Verbesserung der Sichtbarkeit von KI-Initiativen durch eine zentrale Übersichtsseite bleibt ein offenes Thema, ebenso wie die Entwicklung von Konzepten für statusgruppenspezifische und gemischte Schulungsformate je nach Kontext.
Zuletzt geändert: 6. Okt 2025, 10:41am, [j_w4q6k4m]