Diskrete Zufallsvariable

Für diskrete Zufallsvariablen wird die Verteilungsfunktion aus der Wahrscheinlichkeitsfunktion, die jedem xix_i genau eine Wahrscheinlichkeit P(X=xi)P(X= x_i) zuordnet, berechnet. Dabei wird eine kumulative Wahrscheinlichkeit P(Xxi)P(X\leq x_i) gebildet. Wichtig hierbei ist, dass die Verteilungsfunktion F(x)F(x) monoton und rechtsseitig steigend ist. Ebenso gilt, dass diese Funktion Werte zwischen 00 und 11 annimmt (F(x)(0,1)F(x) \in (0,1)). Die Grenzwerte werden daher wie folgt beschrieben limxF(x)=0lim_{x \rightarrow - \infty} F(x) = 0 und limxF(x)=1lim_{x \rightarrow -\infty}F(x) = 1. Die Darstellung der Verteilungsfunktion ist eine Treppenfunktion: An den entsprechenden Datenpunkten macht die Funktion jeweils einen Sprung.

Wir nehmen dazu folgendes Beispiel an: Wir werfen einen 6-seitigen Würfel zweimal und addieren die Werte zur Augensumme. DIe Zufallsvariable XX umfasst die Augensumme, die Werte von 22 bis 1212 annehmen kann (X(2,12)X \in (2,12). Pro Würfelwurf gilt für jede der 6 Seiten eine Wahrscheinlichkeit von 16\frac {1}{6}. Im Beispiel liegt eine diskrete Gleichverteilung vor: Diese ist dadurch charakterisiert, dass verschiede Werte x1,x2,...,xkx_1, x_2, ..., x_k mit gleicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Jetzt teilen wir dem Zufallsexperiment reelle Zahlen zu (ωx\omega \rightarrow x). Wir erhalten im Zufallsexperiments Ω\Omega folgende Werte ωi\omega_i (die zwei Würfe, 11 für 1 bei erstem und zweitem Wurf) und die Zuordnung der Augensumme xix_i (hier nur die Auswahl für Würfe, in denen eine 1 vorkommt).

Ergebnisse des Zufallsexperimentes und die Zuordnung reeller Zahlen
Ergebnisse des Zufallsexperimentes und die Zuordnung reeller Zahlen

Wenn wir also zuerst eine 11 und dann eine 44 würfeln (5. Spalte), erhalten wir als Ergebnis der Augensumme 55. Für ein Würfelergebnis von zuerst 66 und dann 11 erhalten wir 77.

Wir können diese Ergebnisse auch zusammenfassen. X(ω)={2fu¨ω=113fu¨ω=12,214fu¨ω=13,31,225fu¨ω=14,41,23,326fu¨ω=15,51,24,42,337fu¨ω=16,61,25,52,34,438fu¨ω=26,62,35,53,449fu¨ω=36,63,45,5410fu¨ω=46,64,5511fu¨ω=56,6512fu¨ω=66X(\omega) = \begin{cases} 2 & \text{für } \omega = 11 \\ 3 & \text{für } \omega = 12, 21 \\ 4 & \text{für } \omega = 13, 31, 22 \\ 5 & \text{für } \omega = 14, 41, 23, 32 \\ 6 & \text{für } \omega = 15, 51, 24, 42, 33 \\ 7 & \text{für } \omega = 16, 61, 25, 52, 34, 43 \\ 8 & \text{für } \omega = 26, 62, 35, 53, 44 \\ 9 & \text{für } \omega = 36, 63, 45, 54 \\ 10 & \text{für } \omega = 46, 64, 55 \\ 11 & \text{für } \omega = 56, 65 \\ 12 & \text{für } \omega = 66 \end{cases}

Der Wert 9 wird zugeordnet, wenn folgende Würfelpaare auftreten: 33 & 66, 66 &33, 44 & 55, 55 & 44.

Nun berechnen wir die Wahrscheinlichkeitsfunktion (xP(X=x)x \rightarrow P(X = x)): Jeder Augensumme xx ordnet wir die Wahrscheinlichkeit zu. Insgesamt können 3636 Ereignisse in der Zufallsvariable auftreten (Ω=36|\Omega| = 36. Beachte: ω=16\omega = 16 ist ein anderes Ereignis als ω=61\omega = 61, auch wenn die Augensumme gleich ist. Im ersten Fall wird zuerst die 11 und dann die 66 gewürfelt, im zweiten Fall erst die 66 und dann die 11.

Wir möchten nun die Wahrscheinlichkeit errechnen, dass X=5X = 5 ist. Zuerst können wir den Erwartungswert festlegen. Wir zählen also wie oft, dieses Ereignis eintreten kann: E(X=5)=14,41,23,32E=4E(X = 5) = {14, 41, 23, 32} \Rightarrow |E| = 4.

Das Ereignis kann in 44 Situtationen eintreten: Wenn zuerst eine 11 und dann eine 44 gewürfelt wird, wenn zuerst eine 44 und dann eine 11 gewürfelt wird, wenn zuerst eine 22 und dann eine 33 gewürfelt wird und wenn zuerst eine 33 und dann eine 22 gewürfelt wird.

Die Wahrscheinlichkeit, dass X=5X=5 ist, berechnet sich wie folgt: P(X=5)=EΩ=436=190,111P(X = 5) = \frac {|E|}{|\Omega|} = \frac {4}{36} = \frac{1}{9} \approx 0,111 Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in unserem Zufallsexperiment die Augenzahl 5 werfen, liegt also bei 0,111(11%)0,111 (11 \%).

Berechnen wir eine weitere Wahrscheinlichkeit, diesmal dafür, dass die Augenzahl gleich 1111 ist: E(X=11)=56,65E=2E(X=11)={56, 65} \Rightarrow |E| = 2 P(X=11)=EΩ=236=1180,056P(X=11) = \frac {|E|}{|\Omega|} = \frac {2}{36} = \frac{1}{18} \approx 0,056 Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in unserem Zufallsexperiment die Augenzahl 11 werfen, liegt also bei 0,056(5,6%)0,056 (5,6\%).

Hier können Sie die Tabelle mit den zugeordneten Wahrscheinlichkeitswerte für jede Summe der Augenzahl sehen:

Wahrscheinlichkeitsfunktion
Wahrscheinlichkeitsfunktion

In den Grafiken sehen Sie verschiedene Bereiche der Verteilungsfunktion markiert, die weiter unten auch berechnet werden. Beachten Sie: Auch wenn hier eine Fläche markiert ist, ist bei diskreten Variablen die Fläche nicht gleich der Wahrscheinlichkeit. Denn die Verteilungsfunktion ist kumulativ. D.h. dass der “Balken” der nächsthöheren Augenzahl schon die Wahrscheinlichkeit der vorherigen Augensummen inkludiert. Daher entspricht die Fläche eines Bereichs nicht der Wahrscheinlichkeit.

Wahrscheinlichkeitsfunktion
Wahrscheinlichkeitsfunktion
Wahrscheinlichkeitsfunktion
Wahrscheinlichkeitsfunktion
Wahrscheinlichkeitsfunktion
Wahrscheinlichkeitsfunktion

Der Tabelle kann man auch entnehmen, dass sich die Wahrscheinlichkeiten aufsummieren zu 11 (i=1nf(xi)\sum_{i = 1}^n f(x_i)). Wir können auch hier zusammenfassend die Wahrscheinlichkeiten darstellen: f(xi)=P(X=xi)={0,028fu¨x=20,056fu¨x=30,083fu¨x=40,111fu¨x=50,139fu¨x=60,167fu¨x=70,139fu¨x=80,111fu¨x=90,083fu¨x=100,056fu¨x=110,028fu¨x=12f(x_i) = P(X=x_i) = \begin{cases} 0,028 & \text{für } x = 2 \\ 0,056 & \text{für } x = 3 \\ 0,083 & \text{für } x= 4\\ 0,111 & \text{für } x= 5 \\ 0,139 & \text{für } x = 6 \\ 0,167 & \text{für } x = 7 \\ 0,139 & \text{für } x= 8\\ 0,111 & \text{für } x= 9\\ 0,083 & \text{für } x= 10\\ 0,056 & \text{für } x= 11 \\ 0,028& \text{für } x= 12\end{cases}

Aus diesen errechneten Einzel-Wahrscheinlichkeiten können wir nun die Verteilungsfunktion bilden (xP(Xx)x \rightarrow P(X \leq x)). Diese ordnet jeder Augensumme xx die kumulierte Wahrscheinlichkeit zu: F(x)=P(Xx)=xixP(X=xi)F(x) = P(X \leq x) = \sum_{x_i \leq x} P(X = x_i). Die Wahrscheinlichkeit, dass die Zufallsgröße XX kleiner gleich xx ist, ist also die Summe aller Einzelwahrscheinlichkeiten xix_i, solagen xixx_i \leq x gilt.

Berechnen wir ein Beispiel: Wir wollen X6X \leq 6 berechnen. P(X6)=P(X=2)+P(X=3)+P(X=4)+P(X=5)+P(X=6)=136+236+336+436+536=15360.417P(X \leq 6) = P(X=2) + P(X =3) + P(X=4) +P(X=5) + P(X=6) = \frac{1}{36} + \frac{2}{36} + \frac{3}{36} + \frac{4}{36} + \frac{5}{36} = \frac{15}{36} \approx 0.417 Die Wahrscheinlichkeit höchstens eine Augensumme von 66 zu würfeln beträgt 0,417(41,7%)0,417 (41,7 \%).

Berechnen wir ein weiteres Beispiel: X3X \leq 3 P(X3)=P(X=2)+P(X=3)=136+236=3360.083P(X \leq 3) = P(X = 2) + P(X=3) = \frac{1}{36} + \frac{2}{36} = \frac{3}{36} \approx 0.083 Die Wahrscheinlichkeit höchstens eine Augensumme von 33 zu würfeln beträgt 0.083(8.3%)0.083 (8.3 \%).

Auch dieses können wir wieder in einer Tabelle für alle Werte darstellen:

Verteilungsfunktion
Verteilungsfunktion

Wie wir in der Tabelle sehen und auch schon weiter oben festgestellt haben, ist die Summe der Verteilungsfunktion 11.

Wir haben nun bereits errechnet, wie Wahrscheinlichkeiten bis zu einem bestimmten xix_i berechnet werden. Doch wie berechnen wir die Wahrscheinlichkeit von P(X>xi)P(X > x_i)? Oder die Wahrscheinlichkeit von Bereichen wie P(xi<Xxi+2)P(x_i < X \leq x_i+2)?

Für die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten gelten folgende Regeln:

  1. P(Xa)=F(a)P(X \leq a) = F(a)

  2. P(X<a)=F(a)P(X=a)P(X < a) = F(a) - P(X =a)

  3. P(X>a)=1F(a)P(X > a) = 1- F(a)

  4. P(Xa)=1F(a)+P(X=a)P(X \geq a) = 1-F(a) +P(X=a)

  5. P(a<Xb)=F(b)F(a)P(a < X \leq b) = F(b) - F(a)

  6. P(aXb)=F(b)F(a)+P(X=a)P(a \leq X \leq b) = F(b) - F(a) + P(X =a)

  7. P(a<X<b)=F(b)F(a)P(X=b)P(a < X < b) = F(b)- F(a) -P(X=b)

  8. P(aX<b)=F(b)F(a)+P(X=a)P(X=b)P(a \leq X < b) = F(b)-F(a) + P(X=a) - P(X=b)

Machen wir nun ein paar Beispiele:

  1. Siehe oben

  2. P(X<4)P(X < 4) P(X<4)=F(4)P(X=4)=636336=3360.083P(X < 4) = F(4) - P(X=4) = \frac{6}{36} - \frac{3}{36} = \frac{3}{36} \approx 0.083 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme kleiner 44 ist, beträgt 0.083(8.3%)0.083 (8.3 \%).

  3. P(X>5)P(X > 5) P(X>5)=1F(5)=11036=26360.722P(X>5) = 1 - F(5) = 1- \frac{10}{36} = \frac{26}{36} \approx 0.722 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer als 55 ist liegt bei 0.722(72.2%)0.722 (72.2\%).

  4. P(X6)P(X \geq 6) P(X6)=1F(6)+P(X=6)=11536+536=26360.722P(X \geq 6) = 1-F(6) +P(X=6)= 1- \frac{15}{36} + \frac{5}{36} = \frac{26}{36} \approx 0.722 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer gleich 66 ist liegt bei 0.722(72.2%)0.722 (72.2\%).

  5. P(4<X6)P(4 < X \leq 6) P(4<X6)=F(6)F(4)=1536636=936=0.25P(4 < X \leq 6) = F(6) - F(4) = \frac{15}{36} - \frac{6}{36} = \frac{9}{36} = 0.25 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer als 44 und kleiner gleich 66 ist, beträgt 0.25(25%)0.25 (25\%).

  6. P(4X6)P(4 \leq X \leq 6) P(4X6)=F(6)F(4)+P(X=4)=1536636+336=12360.333P(4 \leq X \leq 6) = F(6) - F(4) + P(X =4) = \frac{15}{36} - \frac{6}{36} + \frac{3}{36} = \frac{12}{36} \approx 0.333 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer gleich 44 und kleiner gleich 66 ist, beträgt 0.333(33.3%)0.333 (33.3\%).

  7. P(4<X<6)P(4 < X <6) P(4<X<6)=F(6)F(4)P(X=6)=1536636536=4360.111P(4 < X < 6) = F(6)- F(4) -P(X=6) = \frac{15}{36} - \frac{6}{36} - \frac{5}{36} = \frac{4}{36} \approx 0.111 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer als 44 und kleiner als 66 ist, beträgt 0.111(11.1%)0.111 (11.1\%).

  8. P(4X<6)P(4 \leq X < 6) P(4X<6)=F(6)F(4)+P(X=4)P(X=6)=1536636+336536=7360.194P(4 \leq X < 6) = F(6)-F(4) + P(X=4) - P(X=6) = \frac{15}{36} - \frac{6}{36} + \frac{3}{36} - \frac{5}{36} = \frac{7}{36} \approx 0.194 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Augensumme größer gleich 44 und kleiner als 66 ist, beträgt 0.194(19.4%)0.194 (19.4\%).

In den Grafiken können Sie zuerst einen Teil der Rechenschritte in der Verteilungsfunktion und Wahrscheinlichkeitsfunktion nachverfolgen.

Verteilungsfunktion
Verteilungsfunktion
Verteilungsfunktion P(X≥4)
Verteilungsfunktion P(X≥4)
Verteilungsfunktion P(X<4)
Verteilungsfunktion P(X<4)
Verteilungsfunktion P(X>5)
Verteilungsfunktion P(X>5)
Verteilungsfunktion P(X≥6)
Verteilungsfunktion P(X≥6)
Verteilungsfunktion P(4<X≤6
Verteilungsfunktion P(4<X≤6
Verteilungsfunktion P(4≤X≤6)
Verteilungsfunktion P(4≤X≤6)
Verteilungsfunktion P(4<X<6)
Verteilungsfunktion P(4<X<6)
Verteilungsfunktion P(4≤X<6)
Verteilungsfunktion P(4≤X<6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X≤4)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X≤4)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X<4)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X<4)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X>5)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X>5)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X≥6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(X≥6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4<X≤6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4<X≤6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4≤X≤6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4≤X≤6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4<X<6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4<X<6)
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4≤X<6
Wahrscheinlichkeitsfunktion P(4≤X<6

Auf der nächsten Seite berechnen wir nun die Wahrscheinlichkeit für stetige Zufallsvariablen.

Siehe auch: Bortz & Schuster (2010, Kapitel 5.1, 5.2).

Bortz, J., & Schuster, C. (2010). Statistik für human- und sozialwissenschaftler (7th ed.). Springer-Lehrbuch.